Sonntag, 24. März 2019

Warum Katie Ellen niemals Popstars werden



Am Samstag war ich noch einmal im Waldmeister in Solingen im Konzert. Das Waldmeister ist ein sehr kleiner Konzertsaal im alten Güterbahnhof im Stadtteil Wald. Maximal 60 Leute gehen da rein, und dann stehen sie wie die Sardinen in der Dose nebeneinander; das will man im Sommer nicht erleben. Betrieben wird die Location vom Verein Cow Club, der sich der Förderung von "Popularmusik, vor allem im Amateurbereich" verschrieben hat. Sie veranstalten Lesungen, Filmabende, Parties und eben auch Konzerte. In der Regel tritt eine Solinger Band als Vorgruppe auf, und dann gibt's den Headliner.
Die Solinger waren diesmal Bangks. Ich hatte noch nie von ihnen gehört, sie machten ihre Sache aber ganz ordentlich und waren trommelfellzerreissend laut. So weit, so gut.
Aber eigentlich ging es mir um den Auftritt von Katie Ellen, eine Punk-/ Indiefolk-/ Irgendwas- Band aus Philadelphia, Pennsylvania. Die Sängerin Annika Pyle hört sich ein bisschen nach den Cranberries oder den Sundays an, aber die Musik ist deutlich punkiger. Sie war vor der Gründung von Katie Ellen zusammen mit Dan Frelly, dem Gitarristen, Mitglied von Chumped (sagt wahrscheinlich nur Wenigen etwas, ist aber auch egal, wer ist schon Redakteur beim SPEX?). Katie Ellen veröffentlichen ihre Musik bei Lauren Records, wer reinhören mag: man findet sie z.B. bei Spotify.


Annika Pyle ist der Antityp des Popstars, auch wenn sie von der Stimme und dem Aussehen das Potential dazu hätte. Sie steht ungeschminkt in Jeans, T- Shirt und Holzclogs mit Wollsocken auf der Bühne, spielt Gitarre und singt sich die Seele aus dem Leib. Wenn ihr Gesang nicht gut ausgesteuert ist, klingt das schnell auch mal nach Micky-Maus, wie das bei den meisten Sängerinnen mit so hohen, zarten Stimmen passiert. Ich habe vor Jahren Björk mit den Sugarcubes gesehen, selbst die hat man fast nicht gehört. Aber Björk trug ein goldenes Lamékleid und machte Bierflaschen mit den Zähnen auf, Annika Pyle dagegen quatscht mit ihrer Band und stimmt ständig an ihrer Gitarre herum.


Das mit dem Gitarrenstimmen ist ohnehin so eine Sache, Dan Frelly fummelt auch nach jedem Song an seinen Saiten. So hat man zwischen den Stücken immer eine seltsame Pause, untermalt von einigen ganz fiesen Rückkopplungen. Der Schlagzeuger guckt dabei an die Decke, keine Ahnung, ob ihn das nervt oder er gerade an was anderes denkt. Der Bassist, der eine sehr eigene Optik hat, wartet einfach nur geduldig, bis es weitergeht. Er braucht allerdings auch kein Feintuning, der Mann ist ein As an seinem Instrument. Der ganze Sound von Katie Ellen wird von ihm zusammengehalten.


Ansonsten macht die Band auf der Bühne in Sachen Performance so ziemlich alles falsch, was nur geht. Sie drehen dem Publikum den Rücken zu, sie nehmen sehr wenig Kontakt auf, keiner tanzt: der Großmeister Dieter Bohlen würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Und soll ich was sagen? 

Das ist vollkommen wurscht! 
Katie Ellen machen nämlich tolle Musik! 

Das Konzert war super, die Leute waren begeistert. Wir wollten nicht nur eine Zugabe, am liebsten hätten wir es gehabt, wenn Katie Ellen noch mal von vorne angefangen hätten. Jeder im Saal war verliebt in die wunderbare Annika Pyle mit ihren kryptischen Tatoos und den unordentlichen Haaren (ich rede hier nicht vom Undone- Look!). Wir glauben ihr nämlich, dass sie von ganzem Herzen Musik macht. Wir leiden mit, wenn sie von Liebeskummer singt, und wir fühlen ihre Enttäuschung über den Verlust oder das Leben oder Sonstwas, wenn sie auf ihre Gitarre eindrischt.


Trotzdem werden Annika und Katie Ellen keine Popstars werden. Popmusik funktioniert nämlich nicht als Musik, sondern als Entertainmentprodukt. Das, was wir den ganzen Tag hören, ist gewinnmaximiert ausgesucht und bewußt lanciert, der Hype um die neue deutsche Musik à la Vincent Weiss ist ein wunderbares Beispiel dafür (wobei ich dem armen Vincent nichts Böses will, manchmal wird man von solchen Sachen auch ein bisschen überrollt). Vielleicht haben Katie Ellen ja das Glück, dass einer ihrer Songs in einer Netflix- Serie auftaucht, sonst bleiben sie vermutlich auf ewig ein Geheimtipp. 

Was schade ist!



Album: Katie Ellen, Cowgirl Blues, 2017, Lauren Records 

Fotos: Mit dem Handy im Stockdunkeln aufgenommen 
und daheim bearbeitet, damit man überhaupt was sieht

2 Kommentare:

Frau Jule hat gesagt…

danke für den tipp. und so wird solche musik für die kleine hörendenschaft erhalten bleiben. ich durfte gestern auch so ein erlebnis haben. hach!
liebst,
jule*

susimakes hat gesagt…

Eben: hach!
LG Susanne