Dienstag, 24. Oktober 2017

Die Sache mit der Unentschlossenheit


Wenn ich mir etwas nähe, gibt es zwei Vorgehensweisen:
1. Ich sehe ein Teil in einer Zeitung, einem Blog usw., weiß glasklar, dass dieses Kleidungsstück mein Leben verändern wird, besorge mir die passenden Materialien und nähe wie besessen darauf los; oder
2. mir läuft ein Stoff über den Weg, ich denke "och wie nett, ich könnte da bestimmt was Schönes draus machen", kaufe ein Stück davon und lege es irgendwohin.
Im ersten Fall wird eigentlich immer etwas daraus, meist trage ich solche Sachen auch wirklich gerne und lange. 


Geht es mir aber wie im zweiten Fall, dann kann das eine sehr zähe Angelegenheit werden. Neulich im Sommer ist mir mal wieder genau das passiert. 
Bei uns auf dem Markt gibt einen Händler, der verkauft Stoffcoupons aus Jersey und Sweat. Das Angebot richtet sich hauptsächlich an junge Mütter, die hübsche Shirts oder Hosen für ihre Kleinen nähen wollen, meist sind die Muster nichts für mich. 
Ich bummelte also entspannt im Sonnenschein mit einem hervorragenden Latte Macchiato in der Hand und einem gefüllten Gemüsekorb auf dem Markt herum, als mir ein grauer Sweat mit türkisfarbenen Sternchen ins Auge fiel. Ich dachte "och wie nett, da könnte ich bestimmt was Schönes draus machen", und weil der Coupon 1,00 *1,60 m maß, war ich optimistisch, eine passende Verwendung dafür zu finden.
Zu Hause befielen mich Zweifel. Waren das nicht doch ein bißchen zu viele Sternchen? Grau macht ja auch graue Haare, vor allem im Winter, wenn man so blaß ist. Ich legte den Stoff erst einmal beiseite. Im meinem Unterbewußtsein rumorte es aber die ganze Zeit unterschwellig herum. Was könnte ich denn nur daraus nähen? Ich wühlte in meinem Schnittmusterhaufen herum und stellte fest, dass 1,00 m doch erstaunlich wenig ist. Ein Shirt? Ein Kleidchen? Eine Kuschelhose? Ein Rock? Als letzten Ausweg einen Loop-Schal? Ach, ich wußte es einfach nicht, und der Hund konnte mir auch nicht weiterhelfen, obwohl ich ihn auf unseren Runden oft genug befragte.


Vor zwei Wochen platzte mir der Kragen. Ich hatte einen nähtechnischen Mißerfolg ohnegleichen produziert und war dementsprechend geladen. Jetzt mußte der Sternchen- Sweat dran glauben, oder ich würde die verdammte Näherei ein für alle Mal an den Nagel hängen. 
Ich entdeckte eine Anleitung für einen Bleistiftrock von Tweed-and-Greet im Netz, die einfach genug war, um mir Spaß zu machen. Kurzentschlossen malte ich mir meinen Rock und schnitt finster entschlossen den Stoff zu. Da der Sweat nicht ganz so elastisch war, ließ ich den Saum allerdings weniger schmal zusammenlaufen wie vorgegeben, weil ich befürchtete, sonst in dem Rock nur hüpfen zu können. Kleine Schlitze an den Seiten wären eine Alternative gewesen, hätten aber die Gefahr mit sich gebracht, dass die Seitennähte auf die Dauer einreißen könnten. Ich nähte, probierte an und siegte.


Der Rock ist bequem, gemütlich, warm und wird mir im Winter bestimmt gute Dienste leisten. Ich trage ihn heute zum dritten Mal, er scheint sich also durchzusetzen. Die Fotos sind allerdings vom vorletzten Wochenende, als der Herbst sich als Sommer verkleidet hatte und ich keine Strumpfhose brauchte. Das da ist übrigens der Hund, der sich auch nicht entscheiden konnte!

Stoff: Coupon vom Wochenmarkt
Schnitt: Tweed an Greet

Sonntag, 22. Oktober 2017

Sistaz

 


Jetzt sind wieder Herbstferien, das heißt, meine beiden Damen hängen zusammen daheim herum. Obwohl sie eigentlich sehr unterschiedlich sind, verstehen sie sich immer noch gut. 
Vor allem, wenn es darum geht, sich gegen ihre Eltern zu verbünden...


Mittwoch, 18. Oktober 2017

Männer, die in Motoren starren

Zu Besuch beim Oldtimertreffen in Burscheid-Hilgen



Neulich sagte mein GöGa an einem friedlichen, sonnigen Sonntagmorgen zu mir: "Schatz, hättest du nicht Lust, etwas mit mir zu unternehmen?" Normalerweise zucke ich da innerlich zusammen, denn der Meinige ist Sportler, und man weiß ja, wie das ausgeht: am nächsten Tag mit Muskelkater und mieser Laune. Aber ich hatte ein fluffiges Croissant und feinsten Darjeeling zum Frühstück gehabt, also sagte ich: "Gerne doch, mein Liebster, was wollen wir denn machen?"
(Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass mein Mann und ich uns selbstverständlich immer wie Prinz William und seine Kate miteinander unterhalten!)
Wider Erwarten wollte der GöGa keinen Sport machen oder anschauen, er wollte zum Oldtimertreffen nach Hilgen. Er war sogar bereit, nicht mit dem Motorrad, sondern mit dem Cabrio zu fahren, um mir platte Haare durch den Helm zu ersparen. Also packte ich meine Kamera ein und los ging's.


In Hilgen, einem kleinen Örtchen im Bergischen, steht ein alter Bahnhof. Seitdem der nicht mehr in Betrieb ist, wie das vielen Regionalbahnhöfchen so geht, gibt es dort einen Getränkemarkt mit einem recht grossen Schotterparkplatz. Irgendwann etablierte sich jeden Sonntagmorgen bei schönem Wetter ein Treffen von Oldtimerliebhabern, die sich gegenseitig ihre Schätze vorführen und vor allem über sie sprechen wollen. Der Fachjargon dafür ist "Benzinquatschen". Im Laufe der Zeit kam ein kleiner Ausschank mit Kaffee, Wasser usw. dazu, außerdem gibt es eine leckere Bratwurst.

Das Ganze hat eine sehr friedliche, nette Atmosphäre. Alles ist ein bißchen improvisiert und ziemlich unkommerziell- bis eben auf die Bratwurst. Schön finde ich, dass die meisten Besucher keine zu hochwertigen Fahrzeuge wie eine Mercedes- Pagode oder ähnliches haben. Man findet eher gut abgehangene Modelle der Marken BMW, Volvo oder einen R 4 von Renault. Der derzeitige Campingbus- Boom kommt natürlich auch nicht zu kurz.

Viele der Besucher zeigen eine erstaunliche Liebe zum Detail. Hat man einen Manta, dann ist da auch ein Fuchsschwanz dran; der Besitzer eines schönen alten Volvo schleppt zum Beispiel immer seine eigene Parkuhr mit. Meine persönlichen Favoriten waren allerdings die Jungs, die mit Mofas aus den Achtzigern aufliefen und sich Kutten aus hellen Jeansjacken mit abgeschnittenen Ärmeln und mit Iron- Maiden- Aufnähern gebastelt hatten. Wohlgemerkt, es handelt sich hier um gesetzte Herren meines Alters mit soliden Berufen wie Installateur und Realschullehrer.


Aber über allem steht das Vergnügen, sich neben ein Grüppchen benzinquatschender Männer zu stellen und einfach nur zuzuhören. Die Philosophien, die hier verbreitet werden, sind zum Teil abenteuerlich. Wer würde vermuten, dass die oben zu sehenden, eigentlich recht vernünftig wirkenden Männer gerade diskutieren, wie man das rote Auto schneller als einen Ferrari machen könnte? Ich möchte nicht erleben, dass sie das wirklich ausprobieren! Der Herr unten neben dem Heckflossenmercedes erzählte jedem, wie er den Vergaser seines Autos Schräubchen für Schräubchen auseinandergenommen, alles penibelst einzeln gereinigt (ich sage nur: Ultraschallbad!) und wieder zusammengebaut hatte, um dann festzustellen, dass der Motor seines Lieblings keinen Mucks mehr von sich gab. Obwohl er am Ende zähneknirschend doch eine Werkstatt aufsuchen musste, hält er sein Vorgehen immer noch für bombenrichtig. 


Wer allerdings glaubt, Autos wären zickig, der darf sich gerne den Kampf der Motorradliebhaber gegen ihre Oldtimer anschauen. Da läuft kein Motor richtig gut, und jeder gibt unumwunden zu, dass eine ADAC- Karte ein absolutes Muß ist. Dass der Parkplatz tiefer als die Strasse liegt, hat schon manchem im übertragenen Sinne das Genick gebrochen. Wenn so ein Räppelchen nicht gut läuft, kommt es die Steigung eben nicht hoch, und wenn dann auch noch die Ampel zur Hauptstrasse auf Rot steht, geht der Motor leider sang- und klanglos wieder aus. 


Der Besitzer der BSA im Hintergrund war so ein Fall. Erst musste getüpfelt werden, dann wurde wie besessen auf dem Kickstarter herumgesprungen, und gerade, als man die Hoffnung aufgeben wollte, sprang die BSA mit einem Geräusch an, als sei der Bratwurstgrill explodiert, und schoss dabei eine beachtliche Stichflamme aus dem Auspuff. Jetzt musste es schnell gehen! Also sprang der Fahrer auf das Motorrad, drehte zwei Runden um den Platz, damit die BSA nicht ausging, wobei er immer die Ampel im Auge behielt. Als das Licht auf Grün umsprang, gab er kräftig Gas und schaffte es tatsächlich, die Steigung in einem Schwung zu nehmen und noch bei Gelb über die Ampel zu donnern. Er hinterließ viel Qualm und bei denen, die direkt in seiner Nähe gestanden hatten, ein schrilles Ohrenpfeifen.


Die Liebhaber alter Roller, vorzugsweise aus dem Osten Deutschlands, machen nicht ganz so viel Lärm, dafür hinterlassen sie an der Kaffeebude sehr gerne bläulichen Zweitaktqualm, der sich nach ein paar Sekunden über die Getränke legt. So etwas muß man tolerieren können. Das prächtige kastanienbraune Fahrzeug und der alles andere als EU- zugelassene Helm gehören übrigens dem Kabarettisten Jürgen Becker (Mitternachtsspitzen, WDR) der hier ab und zu auftaucht. Angeblich sammelt er skurrile Fahrzeuge.


Also, auch wer nicht auf Old- oder Youngtimer steht, kommt hier auf seine Kosten. Ich jedenfalls habe mich prächtig amüsiert, da hatte mein GöGa nicht zu viel versprochen. Die Leute hier sind nett und lustig, die Bratwurst wie gesagt ein Gedicht und den Kaffee mit Zweitaktölaroma muss man ja nicht trinken, wenn man nicht will. 


Bahnhofstrasse 1, Hilgen
Sonntags bei schönem Wetter von 9- 13 Uhr










Mittwoch, 4. Oktober 2017

Gestern

 


Gestern habe ich am Rhein diese Familie gesehen. Sie machten einen Feiertagsausflug nach Zons. Man konnte deutlich sehen, wie wenig begeistert die Teenagertochter von der Aktion war. Die ganze Zeit, während ich auf die Fähre nach Urdenbach wartete und sie beobachtete, sprach sie nicht ein Wort mit ihren Eltern, sondern versuchte so viel Abstand wie möglich von ihnen zu halten.

Ich fühlte mich an meine Teenagerzeit erinnert; es ist wirklich manchmal die Hölle, Einzelkind zu sein.