Mittwoch, 18. Oktober 2017

Männer, die in Motoren starren

Zu Besuch beim Oldtimertreffen in Burscheid-Hilgen



Neulich sagte mein GöGa an einem friedlichen, sonnigen Sonntagmorgen zu mir: "Schatz, hättest du nicht Lust, etwas mit mir zu unternehmen?" Normalerweise zucke ich da innerlich zusammen, denn der Meinige ist Sportler, und man weiß ja, wie das ausgeht: am nächsten Tag mit Muskelkater und mieser Laune. Aber ich hatte ein fluffiges Croissant und feinsten Darjeeling zum Frühstück gehabt, also sagte ich: "Gerne doch, mein Liebster, was wollen wir denn machen?"
(Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass mein Mann und ich uns selbstverständlich immer wie Prinz William und seine Kate miteinander unterhalten!)
Wider Erwarten wollte der GöGa keinen Sport machen oder anschauen, er wollte zum Oldtimertreffen nach Hilgen. Er war sogar bereit, nicht mit dem Motorrad, sondern mit dem Cabrio zu fahren, um mir platte Haare durch den Helm zu ersparen. Also packte ich meine Kamera ein und los ging's.


In Hilgen, einem kleinen Örtchen im Bergischen, steht ein alter Bahnhof. Seitdem der nicht mehr in Betrieb ist, wie das vielen Regionalbahnhöfchen so geht, gibt es dort einen Getränkemarkt mit einem recht grossen Schotterparkplatz. Irgendwann etablierte sich jeden Sonntagmorgen bei schönem Wetter ein Treffen von Oldtimerliebhabern, die sich gegenseitig ihre Schätze vorführen und vor allem über sie sprechen wollen. Der Fachjargon dafür ist "Benzinquatschen". Im Laufe der Zeit kam ein kleiner Ausschank mit Kaffee, Wasser usw. dazu, außerdem gibt es eine leckere Bratwurst.

Das Ganze hat eine sehr friedliche, nette Atmosphäre. Alles ist ein bißchen improvisiert und ziemlich unkommerziell- bis eben auf die Bratwurst. Schön finde ich, dass die meisten Besucher keine zu hochwertigen Fahrzeuge wie eine Mercedes- Pagode oder ähnliches haben. Man findet eher gut abgehangene Modelle der Marken BMW, Volvo oder einen R 4 von Renault. Der derzeitige Campingbus- Boom kommt natürlich auch nicht zu kurz.

Viele der Besucher zeigen eine erstaunliche Liebe zum Detail. Hat man einen Manta, dann ist da auch ein Fuchsschwanz dran; der Besitzer eines schönen alten Volvo schleppt zum Beispiel immer seine eigene Parkuhr mit. Meine persönlichen Favoriten waren allerdings die Jungs, die mit Mofas aus den Achtzigern aufliefen und sich Kutten aus hellen Jeansjacken mit abgeschnittenen Ärmeln und mit Iron- Maiden- Aufnähern gebastelt hatten. Wohlgemerkt, es handelt sich hier um gesetzte Herren meines Alters mit soliden Berufen wie Installateur und Realschullehrer.


Aber über allem steht das Vergnügen, sich neben ein Grüppchen benzinquatschender Männer zu stellen und einfach nur zuzuhören. Die Philosophien, die hier verbreitet werden, sind zum Teil abenteuerlich. Wer würde vermuten, dass die oben zu sehenden, eigentlich recht vernünftig wirkenden Männer gerade diskutieren, wie man das rote Auto schneller als einen Ferrari machen könnte? Ich möchte nicht erleben, dass sie das wirklich ausprobieren! Der Herr unten neben dem Heckflossenmercedes erzählte jedem, wie er den Vergaser seines Autos Schräubchen für Schräubchen auseinandergenommen, alles penibelst einzeln gereinigt (ich sage nur: Ultraschallbad!) und wieder zusammengebaut hatte, um dann festzustellen, dass der Motor seines Lieblings keinen Mucks mehr von sich gab. Obwohl er am Ende zähneknirschend doch eine Werkstatt aufsuchen musste, hält er sein Vorgehen immer noch für bombenrichtig. 


Wer allerdings glaubt, Autos wären zickig, der darf sich gerne den Kampf der Motorradliebhaber gegen ihre Oldtimer anschauen. Da läuft kein Motor richtig gut, und jeder gibt unumwunden zu, dass eine ADAC- Karte ein absolutes Muß ist. Dass der Parkplatz tiefer als die Strasse liegt, hat schon manchem im übertragenen Sinne das Genick gebrochen. Wenn so ein Räppelchen nicht gut läuft, kommt es die Steigung eben nicht hoch, und wenn dann auch noch die Ampel zur Hauptstrasse auf Rot steht, geht der Motor leider sang- und klanglos wieder aus. 


Der Besitzer der BSA im Hintergrund war so ein Fall. Erst musste getüpfelt werden, dann wurde wie besessen auf dem Kickstarter herumgesprungen, und gerade, als man die Hoffnung aufgeben wollte, sprang die BSA mit einem Geräusch an, als sei der Bratwurstgrill explodiert, und schoss dabei eine beachtliche Stichflamme aus dem Auspuff. Jetzt musste es schnell gehen! Also sprang der Fahrer auf das Motorrad, drehte zwei Runden um den Platz, damit die BSA nicht ausging, wobei er immer die Ampel im Auge behielt. Als das Licht auf Grün umsprang, gab er kräftig Gas und schaffte es tatsächlich, die Steigung in einem Schwung zu nehmen und noch bei Gelb über die Ampel zu donnern. Er hinterließ viel Qualm und bei denen, die direkt in seiner Nähe gestanden hatten, ein schrilles Ohrenpfeifen.


Die Liebhaber alter Roller, vorzugsweise aus dem Osten Deutschlands, machen nicht ganz so viel Lärm, dafür hinterlassen sie an der Kaffeebude sehr gerne bläulichen Zweitaktqualm, der sich nach ein paar Sekunden über die Getränke legt. So etwas muß man tolerieren können. Das prächtige kastanienbraune Fahrzeug und der alles andere als EU- zugelassene Helm gehören übrigens dem Kabarettisten Jürgen Becker (Mitternachtsspitzen, WDR) der hier ab und zu auftaucht. Angeblich sammelt er skurrile Fahrzeuge.


Also, auch wer nicht auf Old- oder Youngtimer steht, kommt hier auf seine Kosten. Ich jedenfalls habe mich prächtig amüsiert, da hatte mein GöGa nicht zu viel versprochen. Die Leute hier sind nett und lustig, die Bratwurst wie gesagt ein Gedicht und den Kaffee mit Zweitaktölaroma muss man ja nicht trinken, wenn man nicht will. 


Bahnhofstrasse 1, Hilgen
Sonntags bei schönem Wetter von 9- 13 Uhr










2 Kommentare:

Rike hat gesagt…

Hihihi! Schöner kann man so ein Treffen wirklich nicht beschreiben. Das les ich gleich meinem Mann vor, der findet das bestimmt genauso schön wie ich. Dr Text ist so schön, das man ihn sicher wunderbar als Kolumne in der "Oldtimermarkt" veröffentlichen könnte. Liebe Grüße Rike

susimakes hat gesagt…

Dankeschön!
Es war ein toller Tag dort. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, das zu erzählen.
LG Susanne