Samstag, 13. Juli 2019

Das Malheur beim Friseur

 

Ich habe schon ein paar Mal angedeutet, dass Haare schneiden für mich eine diffizile Angelegenheit ist. Ich habe ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie der Schnitt aussehen soll, meine wilden Zeiten in der Experimentierküche von Farben und Formen sind definitiv vorbei.
Nun hat sich aber herausgestellt, dass die meisten Friseure aus irgendeinem mir nicht ersichtlichen Grund der Ansicht sind, sie müßten mir etwas anderes aufschwatzen. Dabei ist es ganz einfach: ich möchte die Haare gleichlang etwa auf Höhe der Ohrläppchen haben, was im Genick ist, soll bitte ganz kurz sein (das ergibt eine sichtbare Kante, das weiß ich) und ich mag meine in Ehren ergraute Haarfarbe. Ich will keine schnuckelige Blondine, keine rassige Rothaarige und auch keine adrette Brünette sein, Strähnchen möchte ich auch nicht. Klingt nicht schwer, finde ich.

 

Leider scheint es das aber doch zu sein. Immer wieder meint so ein/e Stylist/-in, da gehörten irgendwelche Stufen rein, damit die Haare weicher fallen oder was auch immer, und ich sehe nach zwei Wochen aus wie etwas Zerzaustes, das die Katze mit reingebracht hat. Oder es wird eine ordentliche Schräge hineingebracht, so dass ich Hundeohren habe. 
Bei meinem vorletzten Frieseurbesuch bin ich auf eine junge Dame gestoßen, der es egal war, ob mir meine Frisur schmeichelt oder nicht. Sie schnitt mir die Matte einfach ab, wie ich das wollte, und so waren die vermaledeiten Stufen, die mir ihre Vorgängerinnen auf den Kopf gehext hatten, beinahe raus. Priml, dachte ich mir, da gehe ich beim nächsten Mal wieder hin, danach sehe ich wieder so aus, wie ich mir das vorgestellt habe.
Und was war? Der Salon hatte den Besitzer gewechselt, die willfährige junge Dame war nicht mehr da. Aber der neue Chef nahm sich meiner an. Ich weiß noch genau, dass ich lediglich "Nachschneiden" verlangt habe. Der Friseur- nennen wir ihn bei seinem Namen, nämlich Mike-, begann, nachdem er mir die Haare gewaschen hatte, mit beiden Händen in meinem Haupthaar zu wühlen und dabei ein nachdenkliches Gesicht zu machen. Das hätte mich aufstören sollen, aber ich hatte die Brille nicht an, deswegen schätzte ich die Situation falsch ein. 

"Warst du beim letzten Mal auch hier?" fragte er.
"Ja."
"Und wer hat dir die Haare geschnitten?"
"Weiß nicht, nette junge Frau, hab den Namen vergessen."
"Hm."

Das Gewühle fing wieder von vorne an.

"Warst du zufrieden?" 
"Ja."
"Bist du mit dem Schnitt zurechtgekommen?"
"Alles prima."
"Hm."

Mike stellte das Wühlen ein und begann, mit der Schere zu klappern. Ich lehnte mich entspannt zurück, in dem naiven Wahn, die wichigen Fragen geklärt zu haben.
Tja, und was dann in Mikes Kopf vorgegangen ist, das kann ich nur erahnen. Er drehte mir die Haare oben auf dem Kopf zusammen wie bei Jon Schnee in den letzten Staffeln von Game of Thones und jagte beherzt die Schere hinein. Ich dachte noch, was für eine komische Methode, aber man weiß ja nie, wo die Burschen gelernt haben. Jedenfalls ging der Ehrgeiz mit Mike durch. Er schnipselte und schnapselte, wühlte und kämmte, und irgendwann föhnte er auch. Als ich meine Brille aufsetzte, traf mich beinahe der Schlag: Ich hatte wieder schmeichelhafte Stufen, und die Haare vorne, die kinnlang gewesen waren, gingen nun gerade bis zur Nase. Ich konnte sie noch nicht einmal mehr hinter die Ohren klemmen.
Wie gesagt, Mikes Gedankengänge finde ich jetzt noch rätselhaft. Die Kundin ist zufrieden mit ihrer Frisur? Ja super, da probiere ich doch mal was ganz anderes aus! Das wollen wir doch mal sehen, ob ich der Schrulle hier nicht den Glamour einer Tagesschausprecherin verleihen kann!
Auf jeden Fall war Mike stolz wie Bolle auf seine Leistung. Er sah mich an stolz wie ein Welpe, der den ersten Knochen seines Lebens gefunden hat. Eigentlich hätte ich ihn mit seiner Schere durch den Laden jagen sollen, aber wer tritt schon nach Welpen? Also nickte ich leicht benommen und bezahlte.

Klar, Haare wachsen wieder, aber ich muß mir schon wieder einen neuen Friseursalon suchen.
Vielleicht mache ich es aber auch wie Samson und lasse die Matte einfach wuchern.


Sonntag, 7. Juli 2019

 

Keine Feier ohne Meier

Der Wahnsinn mit den Schulabschlussfeiern

 

Wer hier ein bißchen mitliest, hat vielleicht mitbekommen, dass ich zwei Töchter habe. Eine von beiden hat in diesem Frühjahr ihr Abitur bestanden; das eine tolle Leistung und sollte entsprechend gewürdigt werden. So weit, so gut.
Als ich Abitur gemacht habe, hatten wir es eine kleine Feier in der Aula unserer Schule. Es gab ein überschaubares Rahmenprogramm mit einem klavierspielenden Mitschüler, einer unfassbar peinlichen Tanzeinlage von vier Mädels aus dem Französisch- LK (unvergessen!) und einer einschläfernden Rede des Direktors. Anschließend bekam ich mein Zeugnis, ging mit meinen Eltern italienisch essen und setzte mich mit meinen Mitschülern wie verabredet in die ortsansässige In- Kneipe ab, um unsere Noten angemessen zu begießen. Auch hier: so weit, so gut. 

Auf dem Weg zu Abiball


Als die Ältere vor zwei Jahren ihre ZP 10- Feier hatte, wurde ich zum ersten Mal mit der aktuellen Praxis konfrontiert. Seit den Weihnachtsferien existierte eine Whatsapp- Gruppe, in der die Mädels Fotos ihrer Kleider posteten, damit es kein doppeltes Outfit gab. Und es ging um lange Kleider! 
Ich war gründlich irritiert. Ballkleider? Echt jetzt? 
Natürlich hatten trotzdem zwei Mädels das gleiche Kleid, es gab einen Riesenskandal und Bitchfights epischen Ausmaßes. Die Feier war am Ende ziemlich langweilig, aber wenigstens hatten alle ihre Zeugnisse.
In diesem Jahr war dann der Abiball dran. Schon am Ende der 12. Klasse begann die Organisiererei. Zur Ehrenrettung der Schule muß man sagen, dass die Schüler jede Menge Kommitees bildeten, um das Heft selbst in der Hand zu behalten. Vor allem das Finanzkonzept hatte wirklich Hand und Fuss, den beiden Mathe- LKs sei Dank. Im Ergebnis kosteten die Karten für den Ball 25 Euro pro Stück. Andere Abiturienten/-inneneltern (tolles Wort, oder?) werden bestätigen können, dass das ein Sensationspreis ist.

Challenge: Kleid aussuchen


Aber dann kam sie wieder, die Mädchen- Kleider- Aufbrezel- Frage. Lange Ballkleider, hohe Schuhe, gelockte Betonfrisuren aus Pinterest- Tutorials oder direkt vom Friseur, Makeup wie die späte Elisabeth Taylor; danach ein zweites Outfit für die After- Show- Party... Mir wurde richtig schwindelig. Aber es herrscht natürlich Gruppenzwang, also mußte auch meine Tochter da durch.
Eines schönen Morgens machten wir uns auf den Weg nach Düsseldorf, ein Kleid kaufen. Ein großes Bekleidungsgeschäft hatte eine halbe Etage (!) voll mit Ballkleidern in jeder Farbe und Größe. Und da war was los! Nur Mütter mit ihren Töchtern, eine komplett männerfreie Zone: das war wie im Frauencafé mit sehr viel Glitzer. Und nicht nur die Mädels probierten bodenlangen Tüll, die Mütter waren ebenfalls euphorisch. Irgendwie waren alle im amerkanischen Cinderella- Traum gefangen.
Ich war ehrlich gesagt ziemlich erschrocken. Woher kommt das plötzlich? fragte ich mich. Nichts gegen die Idee, hübsch aussehen zu wollen, wenn man sein Abizeugnis überreicht bekommt, aber warum muß man sich wie eine Barbie verkleiden? Und was machen die Mädchen, die anders schön sind als die Barbies? 
Es ist wirklich kein Spaß, heute eine junge Frau zu sein. Du mußt nämlich im Idealfall nicht nur das 1,0- Abitur gemacht haben, damit du Medizin studieren kannst, du mußt auch noch aussehen wie die Ballkönigin aus einem unsäglichen Teenie- Film. 
Eine Rede halten auf der Feier, weil du die Beste bist. 
Geehrt werden, weil du soziales Engagement gezeigt hast, dass Mutter Theresa neben dir wie ein Gangsta- Rapper wirkt. 
Anschliessend auf der Party sexy und lustig sein und natürlich nicht zu viel trinken, denn du sollst ja deinem Vater, der dich abholt, nicht in den Firmenwagen spucken! 

Könnte es sein, dass die Fifties zurück sind?



Es ist auffällig, dass die Mädchen bis auf drei Ausnahmen erwartungskonform erschienen, die Jungs aber ein breites Potpourri aus Anzügen, Hemden mit akzeptabler Hose und normalem Outfit boten. Einer glänzte mit einen Zylinder, einer hatte sich ein weißes Dinnerjackett auf dem Trödelmarkt gegönnt. Keiner trug unbequeme Schuhe.

Am nächsten Tag: auf dem Weg ins Freibad!

Ich frage mich, wer diese Art von Ball eigentlich möchte. 
Es ist immerhin auch ziemlich teuer, wenn die ganze Familie mitfeiern will. Ist das wirklich nötig, dass Leute mit weniger Einkommen gezwungen sind, dafür so richtig das Konto zu überziehen? 
Sind das wirklich die Abiturienten/- innen, oder sind es die einige Eltern, die hier ihre vielleicht letzte Chance sehen, das Handeln ihrer Kinder bestimmen zu können? 
Ich fühle mich jedenfalls nicht wohl dabei. Ich würde mir wünschen, der offizielle Teil wäre wieder wie bei meiner Abifeier, und die Party für diejenigen, die wirklich Grund zum Feiern haben, wäre dafür länger, lauter und bunter.

Und ohne Schönheitsterror für alle!