Sonntag, 10. Dezember 2017

Der 2. Advent und die Vorweihnachtszeit

 


Meine Familie teilt sich zur Zeit auf in Vorweihnachtszeitfreunde und Vorweihnachtszeitfeinde. Der GöGa und die Grosse verdrehen praktisch permanent die Augen, so dass ich anfange zu befürchten, ich müsse mich in Bälde um einen Exorzisten bemühen. 
Die Kleine und ich dagegen stehen dem Lichterglanz und dem Glockgeläut positiv gegenüber. Ich habe sogar eine Playlist mit weihnachtlich inspirierter Musik auf Spotiy! Wenn ich die im Auto höre, ist: "Boah, Mama, ist das dein Ernst?!?" noch der freundlichste Kommentar. Da muss man sich durchsetzen können! 
(Kekse konsumieren sie allerdings alle wie ausgehungerte Schiffbrüchige.)

Dienstag, 5. Dezember 2017

Auf der Suche nach dem Haar in der Suppe


Ich glaube, ich bin ein schrecklicher Mensch. 
So, jetzt ist es raus!
Ich muß erklären, warum ich das von mir glaube: ich bin nämlich dauernd mit irgendetwas unzufrieden und ich habe immer etwas zu Nörgeln.
Kennt Ihr noch die Geschichte von Paul Watzlawick "Anleitung zum Unglücklichsein"? Da braucht jemand einen Hammer, um ein Bild aufzuhängen, hat aber keinen da. Also überlegt er sich, ob er nicht seinen Nachbarn fragen soll, denn der könnte ihm vielleicht seinen Hammer leihen. Aber dann kommt er ins Grübeln: der Nachbar könnte keinen Hammer haben, oder ihn nicht verleihen wollen, er könnte sich insgeheim über die Handwerkskünste des Mannes lustig machen, er könnte ihn für einen Schnorrer halten oder ihm den Hammer nur aus Mitleid geben usw. usw. Zum Schluss geht der Mann hinüber zum Nachbarn, klingelt, und als der ihm öffnet, schreit der Mann ihn an: "Behalt doch deinen Scheiß- Hammer!"
So bin ich manchmal auch.

Kleid Nr. 1 seriös (ich könnte auch mal die Hände aus den Taschen nehmen!)

Ein Beispiel:
Vor kurzem habe ich das Kleid Nr. 1 von Rosa Pe. gesehen. Ich war sofort begeistert, denn das ist genau der Schnitt, der mir gefällt. A- Linie, 3/4- Ärmel, runder Ausschnitt, Länge okay. Im Shop gibt es ihn nicht als PDF, sondern als Papierschnitt. Ich liebe Papierschnitte, und ich verabscheue die PDF- Kleberei zutiefst. Also habe ich mir den Schnitt bestellt und einen Tag später war er da. Einfach so, pünktlich mit der Post!
Parallel, weil ich für Stoffgeschäftbesuche zu wenig Zeit hatte, stöberte ich im Internet nach passendem Material. Nach einer halben Stunde wurde ich im Stoffbüro fündig. Blauer Sommersweat mit weißen Streifen, der Preis war auch in Ordnung. Auch der Stoff wurde bestellt und einen Tag später war er da. Liebevoll verpackt, gerade abgeschnitten, nix verzogen. Das blieb auch nach dem Waschen so.


Da ich eben wenig Zeit hatte, dachte ich mir, das Nähen wird wahrscheinlich ewig dauern. Ja, Pustekuchen! Am folgenden Wochenende regnete es, so dass wir nicht wie geplant im Garten arbeiten konnten. Vorsichtig sichtete ich meine Nähgarne und siehe da: ich hatte noch genug in genau dem Blau, das ich brauchte.
Ich machte mich ans Werk, und was soll ich sagen: Alles klappte wie am Schnürchen. Es war geradezu unheimlich. Ich hatte genug Stoff, das Nähgarn reichte, ich werkelte vor mich hin und ich wurde ziemlich flott fertig. Dann kam der große Moment des Anprobierens. Ich mußte nichts, aber auch gar nichts ändern. Das Kleid sah super aus! Sogar die Streifen passen weitestgehend übereinander an den Nähten.
Ich konnte es drehen und wenden, wie ich wollte: das war perfekt gelaufen. Ich war so gründlich irritiert, dass ich das Kleid erst einmal gar nicht anziehen konnte! Da mußte doch irgendwo ein Haken sein!

Kleid Nr. 1 unseriös (ich mache immer Faxen beim Fotografieren, weil finde, dass ich dämlich aussehe!)

Ich bin wirklich ein schrecklicher Mensch. Ich habe ernsthaft ein bißchen Zeit gebraucht, um mich über diesen Bombenerfolg zu freuen, das muß man sich mal vorstellen.
Jetzt allerdings liebe ich mein Kleid heiß und innig. Es wird angezogen, gewaschen, angezogen, gewaschen, angezogen... der Stoff bleicht übrigens kaum aus, ist das zu glauben?!

Ich nähe jetzt noch eins nach diesem Schnitt, aus einem grauen French Terry, der irgendwie vor dem Waschen nach Wasserschaden roch, was mir im Laden nicht aufgefallen ist.
Da geht bestimmt was daneben!
(Dann auch passend zum Mottotag beim MMM!)




Montag, 27. November 2017

Die kleine Rebellin

 


Am Freitag war Geigenvorspiel an der Musikschule. Meine Jüngere wirkte als Klavierbegleitung für eine Freundin mit, deswegen war ich überhaupt da. Alle Mädchen waren etwa im Alter von dreizehn bis fünfzehn, und alle sahen irgendwie sehr nett und sehr gleich aus. 
Nur ein Mädchen war da, das zaghaft den Aufstand probte. Sie hatte die Haare in einem Hipster- Jon- Schnee- Knoten zusammengebunden und ihr war es gelungen, ihren Eltern ein paar schwarze, vegane Dr. Martens- Stiefel mit gelben Schnürsenkeln abzuschwatzen. Ich fand sie einfach wunderbar!

Freitag, 24. November 2017

Schwarz und Weiss und jede Menge Grautöne

 

Der beste Freund des GöGa

 

Als ich mit meinem ersten Kind schwanger war, kam ich auf die Idee, Familienmitglieder und enge Freunde zu porträtieren. Ich dachte, wenn mein Mann und ich irgendwann von Eltern oder Grosseltern erzählen, dann wüsste mein Kind gerne, wie sie ausgesehen hatten. Ich habe kaum Bilder von meinen Verwandten, meinem Mann geht es genau so. Wir müssen uns auf unsere Erinnerungen verlassen, und die sind wie die der meisten Menschen nicht sehr zuverlässig.

Meine Mama guckt ernst...
... und meine Mama lacht

Von Anfang an wusste ich, dass ich die Bilder in Schwarzweiss machen wollte. Ich war damals sehr von den Porträts von Anton Corbjin begeistert, außerdem fand ich (und finde das heute noch), dass eine monochromes Bild irgendwie "wesentlicher" wirkt. Man schaut automatisch intensiver in das Gesicht des Porträtierten und die Kleidung tritt zurück. Ausserdem: man sieht viel cooler darauf aus!

Der GöGa vor siebzehn Jahren (hier sieht man den Corbjin- Style!)

Ich hing ein schwarzes Stück Stoff an mein Bücherregal, verdunkelte das Zimmer und stellte einen Strahler auf. Die Bilder machte ich mit einer Mamyia 645, einer vollständig mechanischen Mittelformatkamera. Ich hatte einen externen Belichtungsmesser, die Werte für Belichtung und Zeit musste ich manuell auf die Kamera übertragen. Weil ich wenig Licht hatte, war die Tiefenschärfeebene ziemlich knapp. Wild auf dem Stuhl herumwackeln durfte also keiner, sonst war er verschwommen. Welche Filme ich gebraucht habe, weiss ich nicht mehr. Selbst entwickelt habe ich sie nicht, das war mir zu riskant. Die Abzüge habe aber ich gemacht, weil mir ein Profilabor zu teuer war.

Das ist eine Aufnahme aus einem Workshop mit einem Profimodel.

Das Schwierigste war allerdings, meine "Models" zu motivieren. Den meisten Leuten ist es unangenehm, so lange und intensiv angesehen zu werden. Schnappschüsse bei Parties sind kein Problem, aber seinem Fotografen sozusagen ausgeliefert zu sein ist doch gewöhnungsbedürftig. Ich hatte das schon ein paar Mal mit Profis bei Fotoworkshops gemacht, daher wusste ich, dass es dem Porträtierten leichter fällt, sich zu entspannen, wenn man ihm oder ihr genau sagt, was er oder sie tun soll. Ich liess also den Bestimmer in mir raus, das wirkte dann auch so, als hätte ich Ahnung!

Die zweite Frau meines Vaters hat sich beim Fotografieren hinter ihrer Enkelin versteckt.

Da die Mamyia eine analoge Kamera ist, konnte ich nicht sofort zeigen, wie das Foto geworden war. Ich wusste es ja selbst nicht!  Es wurde also jedes Mal spannend, wenn ich die Kontaktabzüge bekam. Ich habe von jedem Film mit 12 Bildern maximal zwei gute Fotos herausbekommen. Das ist so eine Sache, die ich an der Digitalfotografie liebe: da kann man direkt sehen, ob man Murks produziert hat und die Aufnahme wiederholt werden muss.
Als kleines Danke habe ich alle meine "Opfer" zum Essen eingeladen nach der schweren Arbeit und ihnen schöne grosse Abzüge ihrer Bilder gemacht.
Eigentlich, wenn ich die Porträts jetzt so sehe, würde ich so etwas gerne noch einmal machen. Vielleicht krame ich die gute alte Mamyia wieder mal heraus...

Den würde ich heute wirklich gerne noch einmal fotografieren, weil er jetzt ganz anders aussieht!


Sonntag, 12. November 2017

12 von 12

im November

 

1.
Da ich diese Nacht sehr schlecht geschlafen habe, was an meinem GöGa lag, der gestern abend auf einen Punk- Konzert war und nach seiner Heimkehr im Dunkeln (er wollte ja keinen wecken) über den Klavierhocker fiel, war ich heute morgen früh wach. Also habe ich praktisch mit dem Hahnenschrei den ersten Käsekuchen (aka NY Cheesecake) meines Lebens gebacken.

2.


Vor zwei Jahren habe ich beim Möbelschweden eine Aloe gekauft. Ich dachte, das sei eine empfindliche afrikanische Pflanze und hatte Sorge, dass sie bei mir überhaupt überleben würde. Statt dessen wächst das Ding wie Unkraut! Ich habe sie heute zum vierten Mal (!) geteilt; meine Kleine bekommt jetzt auch eine.



3.

Es ist schon etwas erbärmlich, wenn ich zugebe, dass meine Waschmaschine so etwas wie mein bester Freund ist. Wir sehen uns mehrmals am Tag! Es gibt allerdings Momente, in denen Jennifer Lopez in meinem Hinterkopf singt: "I ain't do your laundry, i'm not your mother!" Wo kommt das ganze Zeug bloß her?

4.

 
Tagebuchschreiben soll ja irgendwie gut für ein bewußtes Leben sein...



5.

Seit Freitag habe ich eine Gleitsichtbrille. Das war erst ganz cool, ich durfte nämlich nicht Autofahren. Alle diese blöden Einkaufs- oder Kinderkutschierfahrten musste der GöGa machen. Ich war schon knapp davor, den Führerschein abzugeben, so gechillt fand ich das. Allerdings ist es wirklich schwierig, sich an die Brille zu gewöhnen. Hoffentlich habe ich mein Hirn bald so weit, dass es die Umstellung akzeptiert!



6.

 Schuhe putzen könnte ich auch mal!



7.



 Den Hund rocken...

8.



Bei den Schrebergärten an der Autobahn haben sich ein paar junge Leute zusammengetan, die eine (sehr) kleine Landwirtschaft betreiben. Das Ziel war eigentlich, Selbstversorger zu werden, aber sie haben mittlerweile so viel übrig, dass sie ihre Sachen auch verkaufen. Die Hühner, deren Eier man hier bekommen kann, sind ausgesprochen freilaufend: sie büxen ständig aus! Ich habe sie auch schon ein paar Mal in ihren Garten zurückgescheucht, wenn ich mit dem Hund vorbei kam. Ist der Kühlschrank nicht schön?

9.

Ich habe angefangen, mir ein Kleid zu nähen, und es sieht so aus, als würden ausnahmsweise die Streifen an den Nähten zusammen passen. Sieg!



10.



Meine beiden Damen haben ihre Kleiderschränke ausgemistet. Um zu verhindern, dass ihr Zeug jetzt eine Woche lang im Flur herumliegt, bin ich mit ihnen direkt zum Kleidercontainer gefahren. 


11.

In Jever habe ich dieses Buch gefunden, als ich meiner Großen in einer sehr hübschen Buchhandlung dabei zusehen durfte, wie sie vor den Regalen Gräben lief (sie kann sich furchtbar schlecht entscheiden). Ich mag die Verbindung von Literatur und Kochen sehr gerne. Wenn man jeden Tag kocht, tut Inspiration richtig gut!


12.

 Heute abend noch ein paar Reihen am roten Schal?


Link: 12 von 12




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Dienstag, 7. November 2017

Abenteurer im Talar

Kloster Knechtsteden, Dormagen



Woran denkt ihr, wenn es um Missionare geht? Vielleicht an fanatische Männer, die naiven Eingeborenen Angst vor der Hölle machen? An bigotte Geistliche mit zwei Geliebten und zehn Kindern, Alleinherrscher über ein Dorf am Amazonas? Oder an naive, in den Tropenarzt verknallte Nonnen als Krankenschwestern? Vielleicht habt ihr auch so einen alten Mann mit Zigarre und Whiskeyglas vor Augen wie in alten Hollywoodfilmen, gespielt von Humphrey Bogart...



An einem der letzten schönen Tage war ich mit meinem Mann im Kloster Knechtsteden bei Dormagen. Das Kloster ist eine Gründung aus dem 12. Jhd. durch einen Orden namens Prämonstratenser. Im Laufe der Jahrhunderte veränderte es sich ständig durch Erweiterungen, Brände, daraus resultierenden Neubauten und Restaurierungen; im 19. Jahrhundert übernahmen die Spiritaner die Anlage. Die Spiritaner sind kein Orden, sondern eine Missionsgemeinschaft. Sie bildeten ihre Pater hier selbst aus und schickten sie hinaus in die Welt. Wenn sie krank oder zu alt wurden, konnten sie nach Knechtsteden zurückkommen, um ihren Lebensabend unter anderen aus ihrer Gemeinschaft zu verbringen. Manche kehrten allerdings nie zurück.


Heute leben noch 23 ehemalige Missionare hier. Sie haben einen Altersdurchschnitt von 78 Jahren. Die Spiritaner- Gemeinschaft verlangt nicht von ihnen, noch aktiv mitzuarbeiten; einige tun es aber trotzdem. Lediglich die Organisation der Messen ist obligatorisch. Es gibt die Verwaltung des Missionshauses, eine Zeitung und eine Spritaner- Stiftung. Außerdem unterhalten sie eine Bücherei, eine Kleider- und Altmöbelkammer und einen Klosterladen. Einige Teile des Geländes werden von anderen Einrichtungen genutzt: die größte davon ist ein privates Gymnasium. Der Kunstverein Dormagen, ein Waldorf- Kindergarten und ein Obstbauer z.B. haben hier ihre Heimat gefunden.





Zur Zeit kann man in einem Teil des Kreuzgangs eine kleine Ausstellung über die Missionare sehen. Das ist ziemlich verblüffend. Viele von ihnen waren unruhige, hochgebildete Geister, die auch als Forscher und Abenteurer getaugt hätten. Sie erkundeten die fremden Länder, in die sie gesandt worden waren, mit offenen Augen. Sie katalogisierten Pflanzen und Mineralien, fertigten detaillierte Zeichnungen der Tierwelt, schrieben Wörterbücher in den Sprachen der eigentlichen Einwohner. Ein Spiritanerpater organisierte die erste Feuerwehr Haitis,  ein anderer rief ein Sturmwarnsystem für die karibische Schiffahrt ins Leben, weil seine heimliche Liebe der Meteorologie galt. Nach dem ersten Weltkrieg ergriffen nicht wenige Männer nach ihrer Entlassung aus dem Armeedienst den Beruf des Missionars, weil sie die Welt verbessern wollten. Sie entsprechen so gar nicht dem Bild, dass ich mir von Missionaren gemacht hatte.



Die Basilika und der Kreuzgang in Knechtsteden sind zwar kunsthistorisch interessant, vor allem aber merkt man ihnen an, dass sie genutzt werden. Das gefällt mir ausgesprochen gut und macht die besondere Atmosphäre des Ortes aus. Als wir dort waren, musste die Orgel repariert werden. Daran machte sich ein Orgelbauer aus den Niederlanden zu schaffen, der wie ein Besenbinder schimpfte, weil die Reparatur nicht so klappte, wie er sich das vorstellte. Hätte ich ihm länger zugehört, wüsste ich vermutlich jetzt, was "Ich hau gleich mit dem Hammer in das verdammte Ding!" auf niederländisch heißt.


Der Schulhof und einige Räume der Schule sind unmittelbar an den Wohnungen der Missionare gelegen, da wird es unter der Woche auch etwas lauter. Vor dem Torhaus liegt ein wirklich gutes Restaurant. Im Sommer kommen viele Ausflügler hierher, außerdem ist es sehr beliebt für Familienfeiern. Radwanderer durch den Niederrhein können im Heuhotel übernachten; der Kunstverein hat regelmäßige Workshops und Ausstellungen im Hof. Ach ja, und ein gemischter Chor probt stimmgewaltig bei offenen Fenstern!


Es gibt wenige sakrale Anlagen, die noch so lebendig sind.

So sollte Glauben sein: mitten unter den Menschen.

Info:
Kloster Knechtsteden 1, 41540 Dormagen
www.kloster-knechtsteden.de

Tipp:
Wer kleine Kinder hat, die nach Klosterbesuchen noch weitere Sensationen einfordern, dem sei der nahegelegene Tierpark Tannenbusch ans Herz gelegt. Da kann man Rehe füttern, sich vor streng duftenden Wildschweinen die Nase zu halten und auf dem riesigen Spielplatz toben. Hunde dürfen an der Leine mit hinein. Im Sommer steht auf dem Parkplatz ein Eiswagen mit spektakulärem Stracciatella- Eis.

Dienstag, 24. Oktober 2017

Die Sache mit der Unentschlossenheit


Wenn ich mir etwas nähe, gibt es zwei Vorgehensweisen:
1. Ich sehe ein Teil in einer Zeitung, einem Blog usw., weiß glasklar, dass dieses Kleidungsstück mein Leben verändern wird, besorge mir die passenden Materialien und nähe wie besessen darauf los; oder
2. mir läuft ein Stoff über den Weg, ich denke "och wie nett, ich könnte da bestimmt was Schönes draus machen", kaufe ein Stück davon und lege es irgendwohin.
Im ersten Fall wird eigentlich immer etwas daraus, meist trage ich solche Sachen auch wirklich gerne und lange. 


Geht es mir aber wie im zweiten Fall, dann kann das eine sehr zähe Angelegenheit werden. Neulich im Sommer ist mir mal wieder genau das passiert. 
Bei uns auf dem Markt gibt einen Händler, der verkauft Stoffcoupons aus Jersey und Sweat. Das Angebot richtet sich hauptsächlich an junge Mütter, die hübsche Shirts oder Hosen für ihre Kleinen nähen wollen, meist sind die Muster nichts für mich. 
Ich bummelte also entspannt im Sonnenschein mit einem hervorragenden Latte Macchiato in der Hand und einem gefüllten Gemüsekorb auf dem Markt herum, als mir ein grauer Sweat mit türkisfarbenen Sternchen ins Auge fiel. Ich dachte "och wie nett, da könnte ich bestimmt was Schönes draus machen", und weil der Coupon 1,00 *1,60 m maß, war ich optimistisch, eine passende Verwendung dafür zu finden.
Zu Hause befielen mich Zweifel. Waren das nicht doch ein bißchen zu viele Sternchen? Grau macht ja auch graue Haare, vor allem im Winter, wenn man so blaß ist. Ich legte den Stoff erst einmal beiseite. Im meinem Unterbewußtsein rumorte es aber die ganze Zeit unterschwellig herum. Was könnte ich denn nur daraus nähen? Ich wühlte in meinem Schnittmusterhaufen herum und stellte fest, dass 1,00 m doch erstaunlich wenig ist. Ein Shirt? Ein Kleidchen? Eine Kuschelhose? Ein Rock? Als letzten Ausweg einen Loop-Schal? Ach, ich wußte es einfach nicht, und der Hund konnte mir auch nicht weiterhelfen, obwohl ich ihn auf unseren Runden oft genug befragte.


Vor zwei Wochen platzte mir der Kragen. Ich hatte einen nähtechnischen Mißerfolg ohnegleichen produziert und war dementsprechend geladen. Jetzt mußte der Sternchen- Sweat dran glauben, oder ich würde die verdammte Näherei ein für alle Mal an den Nagel hängen. 
Ich entdeckte eine Anleitung für einen Bleistiftrock von Tweed-and-Greet im Netz, die einfach genug war, um mir Spaß zu machen. Kurzentschlossen malte ich mir meinen Rock und schnitt finster entschlossen den Stoff zu. Da der Sweat nicht ganz so elastisch war, ließ ich den Saum allerdings weniger schmal zusammenlaufen wie vorgegeben, weil ich befürchtete, sonst in dem Rock nur hüpfen zu können. Kleine Schlitze an den Seiten wären eine Alternative gewesen, hätten aber die Gefahr mit sich gebracht, dass die Seitennähte auf die Dauer einreißen könnten. Ich nähte, probierte an und siegte.


Der Rock ist bequem, gemütlich, warm und wird mir im Winter bestimmt gute Dienste leisten. Ich trage ihn heute zum dritten Mal, er scheint sich also durchzusetzen. Die Fotos sind allerdings vom vorletzten Wochenende, als der Herbst sich als Sommer verkleidet hatte und ich keine Strumpfhose brauchte. Das da ist übrigens der Hund, der sich auch nicht entscheiden konnte!

Stoff: Coupon vom Wochenmarkt
Schnitt: Tweed an Greet

Sonntag, 22. Oktober 2017

Sistaz

 


Jetzt sind wieder Herbstferien, das heißt, meine beiden Damen hängen zusammen daheim herum. Obwohl sie eigentlich sehr unterschiedlich sind, verstehen sie sich immer noch gut. 
Vor allem, wenn es darum geht, sich gegen ihre Eltern zu verbünden...


Mittwoch, 18. Oktober 2017

Männer, die in Motoren starren

Zu Besuch beim Oldtimertreffen in Burscheid-Hilgen



Neulich sagte mein GöGa an einem friedlichen, sonnigen Sonntagmorgen zu mir: "Schatz, hättest du nicht Lust, etwas mit mir zu unternehmen?" Normalerweise zucke ich da innerlich zusammen, denn der Meinige ist Sportler, und man weiß ja, wie das ausgeht: am nächsten Tag mit Muskelkater und mieser Laune. Aber ich hatte ein fluffiges Croissant und feinsten Darjeeling zum Frühstück gehabt, also sagte ich: "Gerne doch, mein Liebster, was wollen wir denn machen?"
(Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass mein Mann und ich uns selbstverständlich immer wie Prinz William und seine Kate miteinander unterhalten!)
Wider Erwarten wollte der GöGa keinen Sport machen oder anschauen, er wollte zum Oldtimertreffen nach Hilgen. Er war sogar bereit, nicht mit dem Motorrad, sondern mit dem Cabrio zu fahren, um mir platte Haare durch den Helm zu ersparen. Also packte ich meine Kamera ein und los ging's.


In Hilgen, einem kleinen Örtchen im Bergischen, steht ein alter Bahnhof. Seitdem der nicht mehr in Betrieb ist, wie das vielen Regionalbahnhöfchen so geht, gibt es dort einen Getränkemarkt mit einem recht grossen Schotterparkplatz. Irgendwann etablierte sich jeden Sonntagmorgen bei schönem Wetter ein Treffen von Oldtimerliebhabern, die sich gegenseitig ihre Schätze vorführen und vor allem über sie sprechen wollen. Der Fachjargon dafür ist "Benzinquatschen". Im Laufe der Zeit kam ein kleiner Ausschank mit Kaffee, Wasser usw. dazu, außerdem gibt es eine leckere Bratwurst.

Das Ganze hat eine sehr friedliche, nette Atmosphäre. Alles ist ein bißchen improvisiert und ziemlich unkommerziell- bis eben auf die Bratwurst. Schön finde ich, dass die meisten Besucher keine zu hochwertigen Fahrzeuge wie eine Mercedes- Pagode oder ähnliches haben. Man findet eher gut abgehangene Modelle der Marken BMW, Volvo oder einen R 4 von Renault. Der derzeitige Campingbus- Boom kommt natürlich auch nicht zu kurz.

Viele der Besucher zeigen eine erstaunliche Liebe zum Detail. Hat man einen Manta, dann ist da auch ein Fuchsschwanz dran; der Besitzer eines schönen alten Volvo schleppt zum Beispiel immer seine eigene Parkuhr mit. Meine persönlichen Favoriten waren allerdings die Jungs, die mit Mofas aus den Achtzigern aufliefen und sich Kutten aus hellen Jeansjacken mit abgeschnittenen Ärmeln und mit Iron- Maiden- Aufnähern gebastelt hatten. Wohlgemerkt, es handelt sich hier um gesetzte Herren meines Alters mit soliden Berufen wie Installateur und Realschullehrer.


Aber über allem steht das Vergnügen, sich neben ein Grüppchen benzinquatschender Männer zu stellen und einfach nur zuzuhören. Die Philosophien, die hier verbreitet werden, sind zum Teil abenteuerlich. Wer würde vermuten, dass die oben zu sehenden, eigentlich recht vernünftig wirkenden Männer gerade diskutieren, wie man das rote Auto schneller als einen Ferrari machen könnte? Ich möchte nicht erleben, dass sie das wirklich ausprobieren! Der Herr unten neben dem Heckflossenmercedes erzählte jedem, wie er den Vergaser seines Autos Schräubchen für Schräubchen auseinandergenommen, alles penibelst einzeln gereinigt (ich sage nur: Ultraschallbad!) und wieder zusammengebaut hatte, um dann festzustellen, dass der Motor seines Lieblings keinen Mucks mehr von sich gab. Obwohl er am Ende zähneknirschend doch eine Werkstatt aufsuchen musste, hält er sein Vorgehen immer noch für bombenrichtig. 


Wer allerdings glaubt, Autos wären zickig, der darf sich gerne den Kampf der Motorradliebhaber gegen ihre Oldtimer anschauen. Da läuft kein Motor richtig gut, und jeder gibt unumwunden zu, dass eine ADAC- Karte ein absolutes Muß ist. Dass der Parkplatz tiefer als die Strasse liegt, hat schon manchem im übertragenen Sinne das Genick gebrochen. Wenn so ein Räppelchen nicht gut läuft, kommt es die Steigung eben nicht hoch, und wenn dann auch noch die Ampel zur Hauptstrasse auf Rot steht, geht der Motor leider sang- und klanglos wieder aus. 


Der Besitzer der BSA im Hintergrund war so ein Fall. Erst musste getüpfelt werden, dann wurde wie besessen auf dem Kickstarter herumgesprungen, und gerade, als man die Hoffnung aufgeben wollte, sprang die BSA mit einem Geräusch an, als sei der Bratwurstgrill explodiert, und schoss dabei eine beachtliche Stichflamme aus dem Auspuff. Jetzt musste es schnell gehen! Also sprang der Fahrer auf das Motorrad, drehte zwei Runden um den Platz, damit die BSA nicht ausging, wobei er immer die Ampel im Auge behielt. Als das Licht auf Grün umsprang, gab er kräftig Gas und schaffte es tatsächlich, die Steigung in einem Schwung zu nehmen und noch bei Gelb über die Ampel zu donnern. Er hinterließ viel Qualm und bei denen, die direkt in seiner Nähe gestanden hatten, ein schrilles Ohrenpfeifen.


Die Liebhaber alter Roller, vorzugsweise aus dem Osten Deutschlands, machen nicht ganz so viel Lärm, dafür hinterlassen sie an der Kaffeebude sehr gerne bläulichen Zweitaktqualm, der sich nach ein paar Sekunden über die Getränke legt. So etwas muß man tolerieren können. Das prächtige kastanienbraune Fahrzeug und der alles andere als EU- zugelassene Helm gehören übrigens dem Kabarettisten Jürgen Becker (Mitternachtsspitzen, WDR) der hier ab und zu auftaucht. Angeblich sammelt er skurrile Fahrzeuge.


Also, auch wer nicht auf Old- oder Youngtimer steht, kommt hier auf seine Kosten. Ich jedenfalls habe mich prächtig amüsiert, da hatte mein GöGa nicht zu viel versprochen. Die Leute hier sind nett und lustig, die Bratwurst wie gesagt ein Gedicht und den Kaffee mit Zweitaktölaroma muss man ja nicht trinken, wenn man nicht will. 


Bahnhofstrasse 1, Hilgen
Sonntags bei schönem Wetter von 9- 13 Uhr