Freitag, 29. September 2017

Die alte Republik

Anderswo in der Vergangenheit 

 

Seiteneingang Alter Bundestag

Da war ja neulich Wahl, und davor war Wahlkampf. Weil meine Töchter endgültig im politikfähigen Alter sind, was bedeutet, dass sie aber auch über alles diskutieren müssen, machte ich dabei die Feststellung, dass es keinem Politiker und keiner Partei während dieser Wochen ausreichend gelungen war, sich wirklich über Inhalte auszutauschen. 

Adenauer auf der Bundesallee

Wofür steht denn nun die CDU oder die SPD, was wollen die Grünen ausser Umweltschutz noch und warum ist die FDP ihr schlimmster Alptraum? Für meine beiden Damen im Alter von sechzehn und vierzehn waren solche Fragen nur mit intensiver eigener Internetrecherche zu beantworten. Von Plakaten, Twitter, Facebook oder Fernsehtalks wurden sie nicht schlauer. Sie fanden die MLPD hier in der Region gut, weil am letzten Wochenende vor der Wahl in Solingen in der Fussgängerzone die MLPDler zum Stand der AfD hinübergegegangen waren und den AfDlern sehr engagiert ihre Meinung kund getan hatten, was damit endete, dass die Damen und Herren Kommunalpolitiker sich gegenseitig an der Krawatte hatten und von der Polizei getrennt werden mussten. Aber bei den anderen Parteien sah das anders aus. Frau Noll von der CDU verteilte auf Markt in Langenfeld Waffeln, die Piraten in Düsseldorf Luftballonsäbel und bei den Linken gab es Zuckerwatte. Greifbare Informationen gab es dagegen nicht.

Bar vor dem Alten Bundestag

War das anders, als ich zum ersten Mal zur Wahl gehen durfte? Ich bin in der Bonner Republik gross geworden, mein politisches Interesse begann mit der Auseinandersetzung um den NATO- Doppelbeschluss. Während der Bundestagsdebatte stand in einem Raum in unserer Schule ein Fernseher, auf dem den ganzen Tag die Live- Übertragung lief. In den Pausen oder in den Freistunden hockten wir uns davor und buhten CDU- Politiker aus. Ich kann mich noch an die Gründung der Grünen erinnern und die Kampagne "Die grüne Raupe kommt". Mein Mann war mit dem Moped auf einem Ostermarsch dabei, zumindest bis es ihm und seinem Freund zu langweilig wurde, weil die alle so langsam fuhren.

Wirklich elegante Wegrandbeleuchtung

Ich glaube, der Unterschied zwischen der Bonner und der Berliner Republik war der, dass wir uns die Informationen, die wir haben wollten, selbst zusammensuchen mussten, aber dafür von diesen unsinnigen Schlagworthäppchen, die uns heute minütlich um die Ohren fliegen, verschont blieben.

Bundesallee

Letztes Jahr war ich noch einmal in Bonn, als ich die Volleyballmädels vom Schiedsrichterlehrgang abholen musste. Da der Tag wegen der Fahrerei ohnehin im Eimer war, machte ich einen langen Spaziergang durch das alte Regierungsviertel. So richtig lebendig war das ja da nie, aber jetzt ist es endgültig tot. Teuer zwar, aber eben "toter als der Zentralfriedhof von Chicago", wie John LeCarré das so schön nannte. Ich war am Alten Wasserwerk, wo der Bundestag zusammenkommen musste während des Umbaus; den Behnisch- Bundestag habe ich mir angesehen, der ja dann schneller aufgegeben wurde, als seine Bauzeit betrug. Der gruselige Adenauer auf der Bundesallee steht auch noch da. Aber das meiste ist irgendwie neu, wobei sich der Zweck der Investition nicht immer auf den ersten Blick erschliesst. Irgendwie machte mich dieser Spaziergang melancholisch. Ich hatte das Gefühl, hier geht es nur noch um Archäologie.

Niegelnagelneues Parkhaus

Die Bonner Republik ist endgültig Geschichte, die Berliner Republik hat sie vollständig verdrängt. Ich glaube, deswegen ist es mir auch so schwer gefallen, den Mädels zu erklären, worum es den Parteien eigentlich geht. Denn sie haben sich mit verändert. Die FDP ist nicht mehr der Ort des bürgerlichen Liberalismus, die SPD vertritt keine Arbeiter mehr. Natürlich müssen sich Politiker mit den Gegebenheiten des Jetzt auseinandersetzen, es wäre nur wirklich schlecht, wenn sie dabei endgültig ihre Haltung verlieren würden. Haltung kommt nämlich niemals aus der Mode!

Vereinte Nationen, gläsernes Büro


Die Bilder sind an einem Winternachmittag mit der Canon Eos 5 d entstanden, das heisst, das Licht war eigentlich immer der Feind. Bearbeitet habe ich sie mit Photoshop Elements.



Donnerstag, 28. September 2017

Urbansketching: Ende der Biergartenzeit

 



Ist es euch auch aufgefallen?

Die Biergärten räumen zusammen und die Cafés holen nach und nach die Tische und Stühle herein. Gestern hatte das Eiscafé in Solingen- Gräfrath schon geschlossen. An den Bäumen vor dem Kaffeehaus am Markt hängst zwar noch eine Lichterkette, aber die Sitzgelegenheiten sind bereits zur Hälfte verschwunden. 

Ich nehme an, die ganz Unermüdlichen schleppen bald die Heizpilze und Fleece- Decken nach draussen. 

Für die anderen beginnt der Winterdornröschenschlaf.


Freitag, 22. September 2017

Urbansketching

(...allerdings nicht so richtig "urban"!)


Schleiferei Wipperkotten, rückwärtige Seite

Chrysanthemen auf dem Bauernhof
Restaurant Friedrichsaue und Feld vom Gemüsebauern Schmidthaus

So gegen Ende der schönen Tage muß man jede Gelegenheit nutzen, um noch einmal vom Hof zu kommen. Gestern nachmittag passte alles: schönstes Altweibersommerwetter und sämtliche Nachmittagsverpflichtungen fielen aus. Also machte ich mich aus dem Staub, bevor irgendjemandem eine andere nützliche Beschäftigung für mich einfallen konnte. Ich schnappte mir Zeichenkram und Hund, um eine Runde um die Wupper zu drehen. 
Ich kam mir vor, als sei ich schon in Rente. 
Herrlich!


Dienstag, 5. September 2017

Der glücklichste Moment dieses Sommers


Bretonischer Vorgarten


Wenn die Sommerferien beginnen, bin ich immer so euphorisch. Das ist eigentlich Unsinn, denn schließlich haben meine Töchter über sechs Wochen frei und nicht ich. Trotzdem breitet sich in mir so ein relaxtes karibikartiges Feeling aus, das ist bestimmt irgendwie psychologisch zu erklären (Freiwillige vor!) Außerdem wollten wir in diesem Jahr zwei Wochen in die Bretagne fahren, das war noch ein weiterer Grund zur Vorfreude.
Als Bretagnebesucher ist man praktisch gezwungen, Streifenshirts zu tragen. Also dachte ich mir, nähe ich doch zur Abwechslung eins. Ich wühlte mich durch die weite Welt des WWW, wo ich das Mandy Boat Tee entdeckte, das nicht nur mit einem schönen U-Boot- Ausschnitt, halblangen Ärmeln und einem lässigen Sitz punkten konnte: es war auch noch umsonst. Hah, da jubelte mein innerer Sparfuchs! Was ich am Schnitt zu sparen gedachte, wollte ich beim Stoff wieder drauflegen. Und weil ich für Optimismus nur eine Farbe kenne, nämlich ROSA, erwarb ich einen hübschen Jersey in Hellrosa mit feinen roten Streifen.

Rosa Inspirationen

Am nächsten freien Sonntag machte ich mich ans Werk. Beim Zuschnitt kam ich ein bißchen ins Grübeln, das war schon ziemlich viel Shirt! Doch ich glaube ja beim Nähen unterbewußt immer, dass ich keine Ahnung habe, deswegen werkelte ich unverdrossen weiter. Aber die Anprobe des fertigen Shirts war der Brüller: ich sah aus wie eine Figur aus dem Triadischen Ballett von Oskar Schlemmer. Die Ärmel waren eng wie geplant, aber Vorder- und Rückenteil waren viel zu weit. Ich war sehr geometrisch.  Ehrlich, wenn der Jersey nicht so teuer gewesen wäre, hätte ich das Ding direkt entsorgt.




Eigentlich hätte ich von selbst darauf kommen können, wo der Fehler liegt. Ich habe das oben mal illustriert. Wenn man so wie ich eher "fraulich" konstruiert ist (so ein Ausdruck meiner Omma, den ich vor dem Aussterben zu bewahren gedenke, so nett finde ich ihn)  und man etwas sehr Weites aus einem Stoff macht, der nicht vollkommen fliessend ist, steht das Kleidungsstück über den am stärksten hervortretendsten Punkten ab: vorne sind es die Brustspitzen, hinten ist es die Wölbung an den Schulterblättern. Das ergibt eine zeltartige Form, die -vorsichtig formuliert- nicht unbedingt jedem steht. Tja, das mußte ich ändern. Ich schnitt links und rechts 4 cm weg und rundete den Übergang zu den Ärmeln ab, in der Hoffnung, dass das alles so passen würde. Ich habe das Shirt also insgesamt um 16 cm schmaler gemacht, das ist mal eine Ansage! Ich hatte Glück, es funktionierte. Ich hatte mein Urlaubs- Optimismus- Streifenshirt für die Bretagne.


Aber dann ging alles schief. In unserer Firma jagte eine Katastrophe die nächste, die Wohnung, die wir renovieren mussten, wurde nicht fertig und meinem armen Mann splitterte ein Stück vom Meniskus ab. Ich wußte noch nicht einmal, dass Menikusse (oder Meniski?) so etwas Fieses überhaupt tun. Schweren Herzens mußte ich mit den Mädels alleine nach Frankreich fahren. Es war sehr schön in der Bretagne, ich habe darüber ausführlich geschrieben (wer es nachlesen mag, findet das hier). Wir hatten allerdings weder WLAN noch zuverlässigen Empfang, deswegen war es schwieriger als sonst, sich daheim zu melden. 

Und damit komme ich zum glücklichsten Moment des Sommers: als ich nach zwei Wochen zu Hause ankam, konnte endlich wieder meinen Mann küssen!

Schnitt: Mandy Boat Tee
Stoff: bei Karstadt in Köln gekauft

Sonntag, 3. September 2017