Montag, 27. November 2017

Die kleine Rebellin

 


Am Freitag war Geigenvorspiel an der Musikschule. Meine Jüngere wirkte als Klavierbegleitung für eine Freundin mit, deswegen war ich überhaupt da. Alle Mädchen waren etwa im Alter von dreizehn bis fünfzehn, und alle sahen irgendwie sehr nett und sehr gleich aus. 
Nur ein Mädchen war da, das zaghaft den Aufstand probte. Sie hatte die Haare in einem Hipster- Jon- Schnee- Knoten zusammengebunden und ihr war es gelungen, ihren Eltern ein paar schwarze, vegane Dr. Martens- Stiefel mit gelben Schnürsenkeln abzuschwatzen. Ich fand sie einfach wunderbar!

Freitag, 24. November 2017

Schwarz und Weiss und jede Menge Grautöne

 

Der beste Freund des GöGa

 

Als ich mit meinem ersten Kind schwanger war, kam ich auf die Idee, Familienmitglieder und enge Freunde zu porträtieren. Ich dachte, wenn mein Mann und ich irgendwann von Eltern oder Grosseltern erzählen, dann wüsste mein Kind gerne, wie sie ausgesehen hatten. Ich habe kaum Bilder von meinen Verwandten, meinem Mann geht es genau so. Wir müssen uns auf unsere Erinnerungen verlassen, und die sind wie die der meisten Menschen nicht sehr zuverlässig.

Meine Mama guckt ernst...
... und meine Mama lacht

Von Anfang an wusste ich, dass ich die Bilder in Schwarzweiss machen wollte. Ich war damals sehr von den Porträts von Anton Corbjin begeistert, außerdem fand ich (und finde das heute noch), dass eine monochromes Bild irgendwie "wesentlicher" wirkt. Man schaut automatisch intensiver in das Gesicht des Porträtierten und die Kleidung tritt zurück. Ausserdem: man sieht viel cooler darauf aus!

Der GöGa vor siebzehn Jahren (hier sieht man den Corbjin- Style!)

Ich hing ein schwarzes Stück Stoff an mein Bücherregal, verdunkelte das Zimmer und stellte einen Strahler auf. Die Bilder machte ich mit einer Mamyia 645, einer vollständig mechanischen Mittelformatkamera. Ich hatte einen externen Belichtungsmesser, die Werte für Belichtung und Zeit musste ich manuell auf die Kamera übertragen. Weil ich wenig Licht hatte, war die Tiefenschärfeebene ziemlich knapp. Wild auf dem Stuhl herumwackeln durfte also keiner, sonst war er verschwommen. Welche Filme ich gebraucht habe, weiss ich nicht mehr. Selbst entwickelt habe ich sie nicht, das war mir zu riskant. Die Abzüge habe aber ich gemacht, weil mir ein Profilabor zu teuer war.

Das ist eine Aufnahme aus einem Workshop mit einem Profimodel.

Das Schwierigste war allerdings, meine "Models" zu motivieren. Den meisten Leuten ist es unangenehm, so lange und intensiv angesehen zu werden. Schnappschüsse bei Parties sind kein Problem, aber seinem Fotografen sozusagen ausgeliefert zu sein ist doch gewöhnungsbedürftig. Ich hatte das schon ein paar Mal mit Profis bei Fotoworkshops gemacht, daher wusste ich, dass es dem Porträtierten leichter fällt, sich zu entspannen, wenn man ihm oder ihr genau sagt, was er oder sie tun soll. Ich liess also den Bestimmer in mir raus, das wirkte dann auch so, als hätte ich Ahnung!

Die zweite Frau meines Vaters hat sich beim Fotografieren hinter ihrer Enkelin versteckt.

Da die Mamyia eine analoge Kamera ist, konnte ich nicht sofort zeigen, wie das Foto geworden war. Ich wusste es ja selbst nicht!  Es wurde also jedes Mal spannend, wenn ich die Kontaktabzüge bekam. Ich habe von jedem Film mit 12 Bildern maximal zwei gute Fotos herausbekommen. Das ist so eine Sache, die ich an der Digitalfotografie liebe: da kann man direkt sehen, ob man Murks produziert hat und die Aufnahme wiederholt werden muss.
Als kleines Danke habe ich alle meine "Opfer" zum Essen eingeladen nach der schweren Arbeit und ihnen schöne grosse Abzüge ihrer Bilder gemacht.
Eigentlich, wenn ich die Porträts jetzt so sehe, würde ich so etwas gerne noch einmal machen. Vielleicht krame ich die gute alte Mamyia wieder mal heraus...

Den würde ich heute wirklich gerne noch einmal fotografieren, weil er jetzt ganz anders aussieht!


Sonntag, 12. November 2017

12 von 12

im November

 

1.
Da ich diese Nacht sehr schlecht geschlafen habe, was an meinem GöGa lag, der gestern abend auf einen Punk- Konzert war und nach seiner Heimkehr im Dunkeln (er wollte ja keinen wecken) über den Klavierhocker fiel, war ich heute morgen früh wach. Also habe ich praktisch mit dem Hahnenschrei den ersten Käsekuchen (aka NY Cheesecake) meines Lebens gebacken.

2.


Vor zwei Jahren habe ich beim Möbelschweden eine Aloe gekauft. Ich dachte, das sei eine empfindliche afrikanische Pflanze und hatte Sorge, dass sie bei mir überhaupt überleben würde. Statt dessen wächst das Ding wie Unkraut! Ich habe sie heute zum vierten Mal (!) geteilt; meine Kleine bekommt jetzt auch eine.



3.

Es ist schon etwas erbärmlich, wenn ich zugebe, dass meine Waschmaschine so etwas wie mein bester Freund ist. Wir sehen uns mehrmals am Tag! Es gibt allerdings Momente, in denen Jennifer Lopez in meinem Hinterkopf singt: "I ain't do your laundry, i'm not your mother!" Wo kommt das ganze Zeug bloß her?

4.

 
Tagebuchschreiben soll ja irgendwie gut für ein bewußtes Leben sein...



5.

Seit Freitag habe ich eine Gleitsichtbrille. Das war erst ganz cool, ich durfte nämlich nicht Autofahren. Alle diese blöden Einkaufs- oder Kinderkutschierfahrten musste der GöGa machen. Ich war schon knapp davor, den Führerschein abzugeben, so gechillt fand ich das. Allerdings ist es wirklich schwierig, sich an die Brille zu gewöhnen. Hoffentlich habe ich mein Hirn bald so weit, dass es die Umstellung akzeptiert!



6.

 Schuhe putzen könnte ich auch mal!



7.



 Den Hund rocken...

8.



Bei den Schrebergärten an der Autobahn haben sich ein paar junge Leute zusammengetan, die eine (sehr) kleine Landwirtschaft betreiben. Das Ziel war eigentlich, Selbstversorger zu werden, aber sie haben mittlerweile so viel übrig, dass sie ihre Sachen auch verkaufen. Die Hühner, deren Eier man hier bekommen kann, sind ausgesprochen freilaufend: sie büxen ständig aus! Ich habe sie auch schon ein paar Mal in ihren Garten zurückgescheucht, wenn ich mit dem Hund vorbei kam. Ist der Kühlschrank nicht schön?

9.

Ich habe angefangen, mir ein Kleid zu nähen, und es sieht so aus, als würden ausnahmsweise die Streifen an den Nähten zusammen passen. Sieg!



10.



Meine beiden Damen haben ihre Kleiderschränke ausgemistet. Um zu verhindern, dass ihr Zeug jetzt eine Woche lang im Flur herumliegt, bin ich mit ihnen direkt zum Kleidercontainer gefahren. 


11.

In Jever habe ich dieses Buch gefunden, als ich meiner Großen in einer sehr hübschen Buchhandlung dabei zusehen durfte, wie sie vor den Regalen Gräben lief (sie kann sich furchtbar schlecht entscheiden). Ich mag die Verbindung von Literatur und Kochen sehr gerne. Wenn man jeden Tag kocht, tut Inspiration richtig gut!


12.

 Heute abend noch ein paar Reihen am roten Schal?


Link: 12 von 12




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Dienstag, 7. November 2017

Abenteurer im Talar

Kloster Knechtsteden, Dormagen



Woran denkt ihr, wenn es um Missionare geht? Vielleicht an fanatische Männer, die naiven Eingeborenen Angst vor der Hölle machen? An bigotte Geistliche mit zwei Geliebten und zehn Kindern, Alleinherrscher über ein Dorf am Amazonas? Oder an naive, in den Tropenarzt verknallte Nonnen als Krankenschwestern? Vielleicht habt ihr auch so einen alten Mann mit Zigarre und Whiskeyglas vor Augen wie in alten Hollywoodfilmen, gespielt von Humphrey Bogart...



An einem der letzten schönen Tage war ich mit meinem Mann im Kloster Knechtsteden bei Dormagen. Das Kloster ist eine Gründung aus dem 12. Jhd. durch einen Orden namens Prämonstratenser. Im Laufe der Jahrhunderte veränderte es sich ständig durch Erweiterungen, Brände, daraus resultierenden Neubauten und Restaurierungen; im 19. Jahrhundert übernahmen die Spiritaner die Anlage. Die Spiritaner sind kein Orden, sondern eine Missionsgemeinschaft. Sie bildeten ihre Pater hier selbst aus und schickten sie hinaus in die Welt. Wenn sie krank oder zu alt wurden, konnten sie nach Knechtsteden zurückkommen, um ihren Lebensabend unter anderen aus ihrer Gemeinschaft zu verbringen. Manche kehrten allerdings nie zurück.


Heute leben noch 23 ehemalige Missionare hier. Sie haben einen Altersdurchschnitt von 78 Jahren. Die Spiritaner- Gemeinschaft verlangt nicht von ihnen, noch aktiv mitzuarbeiten; einige tun es aber trotzdem. Lediglich die Organisation der Messen ist obligatorisch. Es gibt die Verwaltung des Missionshauses, eine Zeitung und eine Spritaner- Stiftung. Außerdem unterhalten sie eine Bücherei, eine Kleider- und Altmöbelkammer und einen Klosterladen. Einige Teile des Geländes werden von anderen Einrichtungen genutzt: die größte davon ist ein privates Gymnasium. Der Kunstverein Dormagen, ein Waldorf- Kindergarten und ein Obstbauer z.B. haben hier ihre Heimat gefunden.





Zur Zeit kann man in einem Teil des Kreuzgangs eine kleine Ausstellung über die Missionare sehen. Das ist ziemlich verblüffend. Viele von ihnen waren unruhige, hochgebildete Geister, die auch als Forscher und Abenteurer getaugt hätten. Sie erkundeten die fremden Länder, in die sie gesandt worden waren, mit offenen Augen. Sie katalogisierten Pflanzen und Mineralien, fertigten detaillierte Zeichnungen der Tierwelt, schrieben Wörterbücher in den Sprachen der eigentlichen Einwohner. Ein Spiritanerpater organisierte die erste Feuerwehr Haitis,  ein anderer rief ein Sturmwarnsystem für die karibische Schiffahrt ins Leben, weil seine heimliche Liebe der Meteorologie galt. Nach dem ersten Weltkrieg ergriffen nicht wenige Männer nach ihrer Entlassung aus dem Armeedienst den Beruf des Missionars, weil sie die Welt verbessern wollten. Sie entsprechen so gar nicht dem Bild, dass ich mir von Missionaren gemacht hatte.



Die Basilika und der Kreuzgang in Knechtsteden sind zwar kunsthistorisch interessant, vor allem aber merkt man ihnen an, dass sie genutzt werden. Das gefällt mir ausgesprochen gut und macht die besondere Atmosphäre des Ortes aus. Als wir dort waren, musste die Orgel repariert werden. Daran machte sich ein Orgelbauer aus den Niederlanden zu schaffen, der wie ein Besenbinder schimpfte, weil die Reparatur nicht so klappte, wie er sich das vorstellte. Hätte ich ihm länger zugehört, wüsste ich vermutlich jetzt, was "Ich hau gleich mit dem Hammer in das verdammte Ding!" auf niederländisch heißt.


Der Schulhof und einige Räume der Schule sind unmittelbar an den Wohnungen der Missionare gelegen, da wird es unter der Woche auch etwas lauter. Vor dem Torhaus liegt ein wirklich gutes Restaurant. Im Sommer kommen viele Ausflügler hierher, außerdem ist es sehr beliebt für Familienfeiern. Radwanderer durch den Niederrhein können im Heuhotel übernachten; der Kunstverein hat regelmäßige Workshops und Ausstellungen im Hof. Ach ja, und ein gemischter Chor probt stimmgewaltig bei offenen Fenstern!


Es gibt wenige sakrale Anlagen, die noch so lebendig sind.

So sollte Glauben sein: mitten unter den Menschen.

Info:
Kloster Knechtsteden 1, 41540 Dormagen
www.kloster-knechtsteden.de

Tipp:
Wer kleine Kinder hat, die nach Klosterbesuchen noch weitere Sensationen einfordern, dem sei der nahegelegene Tierpark Tannenbusch ans Herz gelegt. Da kann man Rehe füttern, sich vor streng duftenden Wildschweinen die Nase zu halten und auf dem riesigen Spielplatz toben. Hunde dürfen an der Leine mit hinein. Im Sommer steht auf dem Parkplatz ein Eiswagen mit spektakulärem Stracciatella- Eis.