Dienstag, 19. März 2019

 

 

Frau Müller und der Datenschutz

 


Weil ich bei der Bank eine Sache zu erledigen habe, die ziemlich viel Warterei mit sich bringt, habe ich das Vergnügen, die täglichen Vorgänge in der Schalterhalle zu verfolgen.

Eine winzige alte Dame mit Rollator bringt ihre gesammelten Rechnungen mit, weil sie mit dem Überweisen nicht zurecht kommt, sie sieht halt nicht mehr so gut. Die Bankangestellte füllt geduldig alle ihre Überweisungen aus und gibt ihr auch die Rechnungen zurück, die eigentlich abgebucht werden. Weil die alte Dame extrem schwerhörig ist, weiß jetzt die ganze Bank, dass die Johanniter einen Dauerauftrag bei ihr haben.

Ein koreanisches Ehepaar will Geld abholen, sie sprechen aber nicht genug Deutsch oder Englisch, um sich verständlich zu machen. Deswegen bekommen sie statt 1300 nur 130 Euro, was ihnen aber erst klar wird, als sie die Bank verlassen. Also kommen sie wieder zurück und stellen sich dem Abenteuer Bankschalter zum zweiten Mal.

Der Schlüssel zu unserem Schließfach bleibt verschwunden, mittlerweile suchen zwei Leute an verschiedenen Stellen in der Bank danach. Dafür muß ich eine neue Datenschutzerklärung unterschreiben, wenn ich schon mal da bin.
 
Eine Rumänin läßt sich Überweisungsformulare drucken, nimmt die auch mit, läßt aber ihre Bankkarte liegen. Die Bankangestellte sprintet hinter ihr her wie Usain Bolt, um ihr die Karte zurückzugeben.

Eine weitere alte Dame stellt sich an. Sie möchte Geld abheben, dafür braucht man seit neuestem den Personalausweis. Sie hat den Ausweis natürlich nicht dabei, aber sie sieht sich um und deutet auf zwei Frauen hinter dem Schalter. "Die Dame da, die kennt mich; und die hinten am Schreibtisch auch", sagt sie. Die beiden Kundenbetreuerinnen sehen auf und sagen im Chor: "Das ist okay, das ist die Frau Müller!", und so bekommt Frau Müller doch noch ihr Geld.

So läuft das hier also mit dem Datenschutz, denke ich.

Eigentlich ist das ganz gut so, denn mal ganz ehrlich: wenn auch nur eine der Bankerinnen auf ihren Vorschriften beharrt  hätte, wären ihre Kunden vollkommen hilflos gewesen. Das ist doch das, was wir in der internetbestimmten, globalisierten Welt so vermissen. Wir wünschen uns, dass jemand uns hilft, auf uns achtet, sich um uns kümmert. 

In einer kleinstädtischen Bankfiliale geht das immer noch.


 




2 Kommentare:

Frau Jule hat gesagt…

hehe, schöne beobachtungen. sowas geht wohl wirklich nur in kleinstädtischen zusammenhängen. da kann das mit der kulanz noch besser funktionieren. in der stadt ist das alles anonymer. in meiner bank kennt mein gesicht glaube ich niemand....
liebe grüße,
jule*

susimakes hat gesagt…

Selbst unsere Kleinstadtsparkasse versucht seit neuestem, am Personal zu sparen und die Kunden in SB- Center zu lotsen. Ich frage mich wirklich, wie die ganzen alten Leute in Zukunft zurechtkommen sollen. Ein Mitglied der Seniorenmannschaft Herren 75(!) aus dem Tennisverein meines Mannes hat tatsächlich einmal eine Mail ausgedruckt und sie bei uns vorbeigebracht! So jemanden kann man doch nicht vor Geldautomaten alleine lassen...
LG Susanne