Die Sache mit der Unentschlossenheit
Wenn ich mir etwas nähe, gibt es zwei Vorgehensweisen:
1. Ich sehe ein Teil in einer Zeitung, einem Blog usw., weiß glasklar, dass dieses Kleidungsstück mein Leben verändern wird, besorge mir die passenden Materialien und nähe wie besessen darauf los; oder
2. mir läuft ein Stoff über den Weg, ich denke "och wie nett, ich könnte da bestimmt was Schönes draus machen", kaufe ein Stück davon und lege es irgendwohin.
Im ersten Fall wird eigentlich immer etwas daraus, meist trage ich solche Sachen auch wirklich gerne und lange.
Geht es mir aber wie im zweiten Fall, dann kann das eine sehr zähe Angelegenheit werden. Neulich im Sommer ist mir mal wieder genau das passiert.
Bei uns auf dem Markt gibt einen Händler, der verkauft Stoffcoupons aus Jersey und Sweat. Das Angebot richtet sich hauptsächlich an junge Mütter, die hübsche Shirts oder Hosen für ihre Kleinen nähen wollen, meist sind die Muster nichts für mich.
Ich bummelte also entspannt im Sonnenschein mit einem hervorragenden Latte Macchiato in der Hand und einem gefüllten Gemüsekorb auf dem Markt herum, als mir ein grauer Sweat mit türkisfarbenen Sternchen ins Auge fiel. Ich dachte "och wie nett, da könnte ich bestimmt was Schönes draus machen", und weil der Coupon 1,00 *1,60 m maß, war ich optimistisch, eine passende Verwendung dafür zu finden.
Zu Hause befielen mich Zweifel. Waren das nicht doch ein bißchen zu viele Sternchen? Grau macht ja auch graue Haare, vor allem im Winter, wenn man so blaß ist. Ich legte den Stoff erst einmal beiseite. Im meinem Unterbewußtsein rumorte es aber die ganze Zeit unterschwellig herum. Was könnte ich denn nur daraus nähen? Ich wühlte in meinem Schnittmusterhaufen herum und stellte fest, dass 1,00 m doch erstaunlich wenig ist. Ein Shirt? Ein Kleidchen? Eine Kuschelhose? Ein Rock? Als letzten Ausweg einen Loop-Schal? Ach, ich wußte es einfach nicht, und der Hund konnte mir auch nicht weiterhelfen, obwohl ich ihn auf unseren Runden oft genug befragte.
Vor zwei Wochen platzte mir der Kragen. Ich hatte einen nähtechnischen Mißerfolg ohnegleichen produziert und war dementsprechend geladen. Jetzt mußte der Sternchen- Sweat dran glauben, oder ich würde die verdammte Näherei ein für alle Mal an den Nagel hängen.
Ich entdeckte eine Anleitung für einen Bleistiftrock von Tweed-and-Greet im Netz, die einfach genug war, um mir Spaß zu machen. Kurzentschlossen malte ich mir meinen Rock und schnitt finster entschlossen den Stoff zu. Da der Sweat nicht ganz so elastisch war, ließ ich den Saum allerdings weniger schmal zusammenlaufen wie vorgegeben, weil ich befürchtete, sonst in dem Rock nur hüpfen zu können. Kleine Schlitze an den Seiten wären eine Alternative gewesen, hätten aber die Gefahr mit sich gebracht, dass die Seitennähte auf die Dauer einreißen könnten. Ich nähte, probierte an und siegte.
Der Rock ist bequem, gemütlich, warm und wird mir im Winter bestimmt gute Dienste leisten. Ich trage ihn heute zum dritten Mal, er scheint sich also durchzusetzen. Die Fotos sind allerdings vom vorletzten Wochenende, als der Herbst sich als Sommer verkleidet hatte und ich keine Strumpfhose brauchte. Das da ist übrigens der Hund, der sich auch nicht entscheiden konnte!
Stoff: Coupon vom Wochenmarkt
Schnitt: Tweed an Greet
Link: Me Made Mittwoch