Sonntag, 12. Februar 2017

Meine Friseurin und ich

Eine Liebeserklärung


Dolores Wally von Kleinformat bzw. jetzt auch Großformat hat letzten Monat einen kleinen Artikel über die Wichtigkeit von guten Haarschnitten ab einem gewissen Alter geschrieben. Dem kann ich, vor allem nachdem ich kürzlich beim Friseur war, nur zustimmen. Natürlich gab es für mich eine Zeit, ich war so etwa Achtzehn, da kam ich in Italien aus einem Zwanzig- Deutsche- Mark- Zelt gekrabbelt und sah mit einer verwuschelten blonden Mähne aus wie die junge Brigitte Bardot. Heute erinnert der Anblick eher an "gestrandet im Trailer Park", mal davon abgesehen, daß ich nach einer Nacht auf einer Luftmatratze gar nicht mehr aus dem Zelt herauskommen würde.


Das ist die Frisur, die ich jetzt mit beinahe Fünfzig habe. Die hellen Strähnen sind nicht gefärbt, das sind ehrlich erworbene weiße Haare. Ich habe in meinem Leben eine Menge ausprobiert, aber ich mit diesem Schnitt komme ich am besten zurecht. Allerdings muß der- oder diejenige, der ihn schneidet, wissen, was er oder sie tut. So jemanden habe ich nach Jahren "Try-and-Error" bei uns im Städtchen gefunden. 
Meine Friseurin hat den Laden von ihrem Vater geerbt, der in den Siebzigern der Starfriseur bei uns war. Sie arbeitet dort mit ihrer Schwester und ihrer Mutter, die geschätzt irgendetwas zwischen achtzig und neunzig Jahren alt ist. Sie sitzt nur noch an der Rezeption und macht die Termine. In letzter Zeit ist sie ein bißchen schwerhörig geworden, was Telefonate mitunter kompliziert macht. Sie hat übrigens die gleiche Frisur wie Königin Beatrix, nur in Weiß. Meine Friseurin hat alle noch lebenden Stammkundinnen ihres Vaters übernommen, das Publikum ist also- vorsichtig ausgedrückt- altermäßig sehr gemischt. Im Hintergrund läuft immer Musik von WDR 4 in moderater Lautstärke. Die Schaufenster des Salons sind komplett mit Jalousien verdeckt, so daß nicht jeder Passant sehen kann, wie die Kundin mit einem Kopf voller Alufolie aussieht. 
Meine Friseurin kann gleichzeitig Haare schneiden und schweigen. Das schätze ich sehr, denn ich bin ziemlich kurzsichtig. Beim Waschen und Schneiden nehme ich naturgemäß die Brille ab, dann sehe ich praktisch nur noch verschwommene farbige Flecken. Muß ich in diesem Zustand mit jemandem sprechen, kann ich nicht erkennen, wie er auf das reagiert, was ich sage. Das kann ich nicht leiden: ich bin ja nicht Tom Hanks, gestrandet auf einer einsamen Insel, der sich mangels lebendigem Gesprächspartner mit einem Volleyball unterhält. In einer solchen Notsituation kann man vielleicht auf Mimik verzichten. Apropos Brille: meine Friseurin reicht mir das gute Stück nach dem Schneiden immer an,  und zwar richtig. Sie patscht nicht auf den Gläsern herum, und sie schnappt sie sich auch nicht am Bügel. Wenn das jemand macht, stehe ich Todesängste um meine Sehhilfe aus. 
Meine Friseurin macht ihren Laden für berufstätige Frauen auch schon morgens um sieben auf, sie schläft nicht gerne lang, sagt sie. Sie braucht für meinen Schnitt jedes Mal exakt eine halbe Stunde, und sie würde niemals einen Rasierer benutzen. Das empfindet sie als einen Ausdruck mangelnder Handwerkskunst. Sie fährt nicht in den Urlaub, weil sie es zu Hause viel schöner findet. Ihr Vater hat sie im Rahmen ihrer Ausbildung nach London zu Vidal Sassoon geschickt, das war wohl ein Wirkungstreffer.  
Kurz gesagt: sie und ihr Laden sind ein bißchen schrullig. Ich mag das.


Das sind die Experimente, die ich im Laufe der Jahre mit meinem Haupthaar gemacht habe. 1) bis 3) sind Frisuren, die ich während der Teenagerjahre hatte: Diskodauerwelle, Kajagoogoo- Schnitt mit zeitweise angeklebtem Zöpfchen und Popperschnitt passend zum Polohemd. 4) bis 6) gehören in die Zeit des Studiums (ich habe damals viel Schwarz getragen, weil alle Architekten Schwarz tragen). Für Frisur 4) habe ich mir tatsächlich die Haare weißblond färben lassen. Eine Woche nach dem Friseurbesuch war meine Kopfhaut immer noch taub. Frisur 8) hatte ich im Architekturbüro und während der Schwangerschaften, Nummer 7) verdanke ich einer Frustattacke während eines Herbsturlaubs im Landkreis Lüchow- Dannenberg. Nr 9) ist das, was ich jetzt habe.
Ich denke, ich werde dabei bleiben. Ich weiß nach vielen Versuchen endlich, was mit meinen Haaren machbar ist und gut aussieht, und meine Friseurin weiß das auch. Ich kann mir ja wie Elton John jede Menge schräger Brillen kaufen, wenn mir langweilig wird!

2 Kommentare:

Die Zitronenfalterin hat gesagt…

Toll, dass Du zu Deiner Lieblingsfrisur und -friseurin gefunden hast! Ich befinde mich da noch auf dem Weg...
Liebe Grüße
Andrea

Inken hat gesagt…

Haha, dieser Post hat mich wirklich köstlich unterhalten. Tja, was soll ich dazu sagen? Ich würde nach einer Nacht im Zelt mit verwuschelten Haaren auch nicht mehr aussehen wie die junge Brigitte. Davon abgesehen, sie selber schon lange nicht mehr. Da wirkt eine neue Frisur Wunder.
Nichtsdestotrotz. Ich bin der absolute Frisörmuffel. Meine Haare reichen schon fast bis an den Hintern, und das mit 50+
Habe aber den Vorteil, dass sie immer noch dick sind wie Pferdehaar. Solange das so ist, bleiben sie dran.
Einen lieben Gruß an Deinen Frisör. Er hat Dich wirklich hervorragend bedient.
LG von Inken
Noch geht's...