Dienstag, 31. Dezember 2019


Auf Fortbildung sozusagen



Ich bin gerade wieder auf dem Klassiker- Trip, in der Hoffnung, von den großen Meistern zu lernen. Na ja!

Das hier ist meine Version von "Ludovico Gonzaga im Kreis seiner Familie" von Andrea Mantegna. Das Original ist ein Wandbild in der Größe von etwa 6,00 * 8,00 m und um 1470 entstanden. Es zeigt die Herrscherfamilie Gonzaga von Mantua. Der Herr im rosa Nachthemd ist der Kopf der Familie Domenico. Er lebte davon, seine Untertanen und sich selbst als Söldnerheer zu vermieten, entweder an die Venezianer oder die Mailänder, aber auf jeden Fall immer gegen die Florentiner. Da er im Grunde für seine Zeit ein friedlicher Herrscher war, kam er ganz gut zurecht und konnte sein kleines Herzogtum nicht nur über Wasser halten, sondern auch erstaunlich viel Geld in die Förderung der Künste stecken. Den Maler Andrea Mantegna bekniete er etwa drei Jahre lang, bis der sich endlich zu seinem Hofmaler machen ließ.
Die Frau in der Mitte ist seine Gattin, eine Wittelsbacherin namens Barbara von Brandenburg. Durch die Heirat mit ihr war jede Menge Geld nach Mantua gekommen, das unter anderem dazu verwendet wurde, die Sümpfe rund um die Stadt trockenzulegen. Wenn Domenico "geschäftlich" unterwegs war, führte Barbara das Herzogtum allein. Das hatte ihr der Mann in Schwarz hinter ihr beigebracht, der Hofbibliothekar und Lehrer Vittorino da Feltre. Er zunächst Erzieher von Domenico gewesen, später kümmerte er sich um die Bildung seiner Frau und seiner Kinder. Da Domenicos zweiter Sohn Francesco (links neben ihm) zu Gefräßigkeit neigte, setzte er ihn eisenhart auf Diät und ließ ihn Sport machen, was ein Beweis dafür ist, dass Pädagogen über die Jahrhunderte auch nichts wirklich Neues einfällt. Francesco brachte es immerhin zum Kardinal. Der junge Mann rechts von Vittorino ist der Thronerbe Frederico, der einen Buckel gehabt haben soll, was Mantengna natürlich nicht darstellte. Frederico verbrachte den größten Teil seines kurzen Lebens auf irgendwelchen Schlachtfeldern. Den von seinem Vater geerbten Titel Markgraf trug er nur sechs Jahre lang.
Überhaupt müssen die Gonzagas durch die Bank weg krank gewesen sein. Sie litten an Gicht, Malaria, schwerer Athritis und Rachitis. Die Mädchen ließen sich angeblich nicht verheiraten, weil sie so furchtbar aussahen und in dem Ruf standen, ihre Gebrechen weiterzuvererben. Der Mailänder Gian Galeazzo Sforza lehnte eine Susanna Gonzaga als Gattin ab, weil sich bei ihr eine beginnende Rückratverkrümmung zeigte. Das arme Mädchen mußte ins Kloster. Böse Zungen haben behauptet, die Zwergin in der Mitte des Bildes sei auch eine Tochter Domenicos gewesen; es ist aber wahrscheinlicher, dass sie auf dem Bild war, um den Reichtum der Familie darzustellen, denn der Besitz von Zwergen war zu dieser Zeit sehr en vogue.
Das Fresko Mantegnas befindet sich heute noch im Palast von Mantua, und die Gonzagas sehen alle gesund, reich und stolz darauf aus. 

Kunst muß ja nicht unbedingt die Realität abbilden. 

(Quelle: Rose-Marie & Rainer Hagen, Gesichter der Macht, Taschen 2018)

Mittwoch, 25. Dezember 2019

 

Familiengottesdienst am Heiligabend

 


Wir sind Einmalimjahrindiekirchegeher, außer es heiratet jemand oder einer ist gestorben. Wir nutzen die Kirche als Dienstleistungsunternehmen, aber Hand auf's Herz: wie viele von Euch tun das auch?
Das eine Mal Kirche ist natürlich an Heligabend. Früher waren wir mit den Kindern, die zufällig einen katholischen Kindergarten besucht haben, im Kleinkindgottesdient in der kleinen Kirche, die neben dem Kindergarten war. Dann gab es eine Zeit, da waren wir Weihnachten nie zu Hause, sondern im Skirurlaub, aber seit ein paar Jahren werden die Eltern gebrechlich, da bleiben wir eben da.
Da ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin, als ich achtzehn wahr (hatte feministische Gründe und wurde durch einen Besuch im Petersdom untermauert), mein Mann und die Kinder aber evangelisch sind, entschieden wir uns, in die Erlöserkirche in unserer Nähe zu gehen. Als Ex- Katholikin lernte ich eine andere Art von Gottesdienst kennen, manchmal fand ich das schon etwas eigenartig. 
Eine Pfarrerin zum Beispiel bastelte das ganze Jahr über an einem gesichtslosen Engel, über den sie dann am Heiligabend redete und der so gruselig aussah, dass die kleinen Kinder Angst vor ihm hatten. Letztes Jahr gab es ein Krippenspiel über Josef, aufgeführt von engagierten Mitgliedern der Gemeinde. Der Darsteller von Balthasar hatte einen starken rheinischen Akzent, das war einfach großartig. Immer mit dabei ist die Kantorin Frau Kim, eine sehr gute Musikerin, die sich auch um den Kirchenchor und kleine Konzerte kümmert.
Dieses Jahr allerdings hat die Gemeinde allerdings den Vogel abgeschossen, was den Unterhaltungswert des Familiengottesdienstes angeht.
Wir trafen uns mit meiner Mutter, die sich in ihre schönste Perücke geschmissen hatte, um drei Uhr in der Kirche auf der Empore, denn da kann man am besten sehen. Den Anfang machte Frau Kim mit zwei Mädchen, die Feliz Navidad sangen. Eine von den beiden hatte deutliche Ambitionen zu einem Auftritt in einer Casting- Show, die andere war unauffälliger. Aber ganz ehrlich: wer sich mit 14 in einer rappelvollen Kirche hinstellt und mit Mikrofon singt, kann einfach nur eine Heldin sein.
Danach übernahm der Organist die musikalische Leitung, und der Mann ist schlicht der Hammer! Er bringt es grundsätzlich fertig, sehr lange Intros zu spielen, so dass nie einer weiß, wann er zu singen anfangen kann. Schon bei "O du fröhliche" kam es deswegen zu einem unfreiwilligen dreistimmigen Kanon. Der Pfarrer trat auf und ließ Kindergartenkinder mit dem Licht von Bethlehem die Altarkerzen entzünden. Trotz Unterstützung durch zwei Mütter klappte das bei einem Kind nur, als es auf dem Altar stand, was der Pfarrer nur mit einem milden "Das ist jetzt für mich auch neu!" kommentierte. Die ganze Gemeinde machte "Aaaah" wie beim Käpt'nsdinner auf einem Kreuzfahrtschiff, als das Licht anging, das war auch schön.
Dann war wieder der Organist dran. Diesmal wußten wir mit dem Intro Bescheid, aber in der zweiten Strophe von "Ihr Kinderlein kommet" begann er, irgendwie jazzige Variationen in die Melodie einzubauen, also hörten wir wieder verwirrt auf zu singen. 
Dabei fiel dem Kleinkind von gegenüber der Schnuller aus dem Mund, der über den Rand der Empore eine Etage tiefer stürzte und einen älteren Herrn am Kopf traf. Während zwei junge Frauen abwechselnd die Weihnachtsgeschichte vorlasen, brachte seine Frau den Schnuller wieder nach oben. So bekam sie leider nicht mit, wie eine der beiden Erzählerinnen den Faden verlor, hektisch in den Blättern am Lesepult kramte, und dabei murmelte: "Wo kam der nochmal her?.. Äh...Bethlehem..." und dann weiter vorlas.
Jetzt stimmte der Organist das nächste Lied an, und wir dachten schon, diesmal ginge alles gut, da entdeckte er in der triumphalen dritten Strophe von "Stern über Bethlehem" irgendeinen Special-Effects-Schalter an der Orgel. Der Sound änderte sich von Kirchenorgel zu düsterer Orgel im U-Boot des wahnsinnigen Kapitän Nemo. Für mich war es vorbei: ich konnte nicht mehr mitsingen, weil ich so lachen mußte. 
Als nächstes durften sich alle Kinder Kekse aus zwei riesigen goldenen Blechschachteln unter dem Christbaum holen, was weitere Unruhe in den Gottesdienst brachte. Nachdem sich alle wieder gesetzt hatten, wollte der Pfarrer wenigstens zusammen das "Vaterunser" sprechen, hatte aber die Rechnung ohne ein tollkühnes Windelkind gemacht, dass sich langsam, wackelig, aber unaufhaltsam an ihm vorbei zu den Keksdosen neben dem Altar schlich, sich dort einen Zimtstern stibitzte und dann mit einem Gesicht wie ein echter Sieger von seiner Großmutter einfangen ließ. Der Organist versuchte ein letztes Mal, es mit "Stille Nacht, Heilige Nacht" so richtig krachen zu lassen, aber jetzt hatten die Gottesdienstbesucher genug von seinen Mätzchen und sangen einfach an ihm vorbei. Als wir das Gotteshaus verließen, warteten für das Krippenspiel schon die Laiendarsteller in den Kostümen römischer Legionäre auf ihren Auftritt.
Ich kann nur sagen, ich hatte selten so einen Spaß in der Kirche (Ausnahme vielleicht, als unser damals schon sehr betagter Pastor mit seiner Greisenstimme an den hohen Tönen von "Gloria in Excelsis Deo" scheiterte). Ich finde es einfach ganz phantastisch, wie engagiert die Mitwirkenden sind, und ich kann den Pfarrer nur für seine Gelassenheit bewundern. 
Nächstes Jahr sind wir wieder da, versprochen!

Dienstag, 24. September 2019


Heute

(bzw. vorgestern)



Am Sonntag war ich mit unserem Hund beim Hundeschwimmen im Freibad. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt: am Ende der Badedaison machen manche Freibäder noch ein- oder zweimal auf, damit wasserverrückte Hunde so richtig in den Pools toben können. Danach wird das Wasser für den Winter abgelassen; zum Beginn der neuen Saison im Frühjahr müssen die Becken ohnehin gründlich gereinigt werden.
Das ist genau das richtige für unsere alte Dame. Rosi war schon immer absolut jeck (=verrückt) auf Wasser. In diesem Jahr war es allerdings das erste Mal, dass sie ziemlich früh müde wurde. Sie wird eben 12 Jahre alt, da geht das alles nicht mehr so wie früher.
Aber dann fand sie im Gebüsch eine rote Gummiente! Irgendein anderer Hund hatte das Quietscheding liegen lassen. Rosi war begeistert und schleppte die neue Beute sofort zum Becken, damit wir mit ihr Apportieren spielen konnte. Womit sie nicht gerechnet hatte: absolut alle anderen Hunde standen genauso auf die Ente wie sie. Sobald die Ente ins Wasser klatschte, waren alle im Wasser und paddelten auf das Gummitier zu. Sie sahen aus wie Alligatoren, wenn etwas Leckeres in die Everglades gefallen ist.
Am Ende tauchte der rechtmäßige Besitzer der roten Gummiente auf und nahm sie zur Enttäuschung aller Hunde mit.
Es war übrigens eine Ver.di- Kampfente, was auch immer das jetzt heißen mag.

Sonntag, 22. September 2019

 

Heute:

Samstag in Düsseldorf

 


Das Weibsvolk brauchte neue Outfits, also war ich nach ewigen Zeiten noch einmal an einem Samstagnachmittag in Düsseldorf. Was es da wieder nicht alles zu sehen gab!

1) Es gibt immer noch Touristen aus Japan, die sich nicht auskennen, dabei sollte man doch meinen, alle Japaner seien schon irgendwann einmal in Düsseldorf gewesen.
2) E- Scooter liegen eigentlich mehr herum, als sie gefahren werden. Es war allerdings auch so voll, dass man mit so einem Ding ohnehin nirgendwo durchgekommen wäre. Aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund war der Rheinufertunnel gesperrt, so dass der gesamte Autoverkehr sich durch die City quälte.
3) Mir gefällt die neue Herbstmode, so mittellange weite Röcke und Blümchenkleidchen, alles ein bißchen nostalgisch. Ich habe mit einer Rüschenkragenbluse geliebäugelt, damit hätte ich ausgesehen wie Fräulein Rottenmaier.
4) Ich bewundere die Hunde von Obdachlosen, die haben wirklich Nerven wie Drahtseile.
5) Da war ein Mann, der wirklich und ungelogen aussah wie ein Alien (s. auch Men in Black!). Die Textzeile ist übrigens von Throwthatbeatinthegarbagecan - kennt die noch einer?

Ich sollte mich am Wochenende wieder häufiger ins Getümmel stürzen.

Dienstag, 10. September 2019


Perücke und Käppchen

 


Im vorletzten Post hatte ich über die Brustkrebserkrankung meiner Mutter erzählt, und wie sie nach der Operation damit konfrontiert wurde, dass sie entgegen der ersten Prognosen eine Chemotherapie machen sollte.
Der nächste Schritt war das Einsetzen eines Ports, durch den die Medikamente während der Behandlung fliessen sollen. Dieser Eingriff wurde ambulant gemacht und tat höllisch weh. Am nächsten Tag war die Wunde angeschwollen. Meine Mutter geriet in Panik und rief mich an, während ich im Supermarkt an der Kasse stand. Ich schmiß meine Einkäufe in die Packtaschen, radelte wie Jan Ullrich nach Hause, brüllte meinem Mann zu, dass er kochen müßte, wenn er etwas zu Essen haben wolle, sprang erst in das erste Auto, das keinen Sprit mehr hatte und dann in das zweite, dass wenigstens nur gerade auf Reserve stand, um zu meiner Mutter zu rasen. Die Wunde sah wirklich nicht schön aus, das fand ich auch. Also fuhren wir in die Ambulanz, denn beim letzten Mal - man erinnert sich vielleicht- endete eine ähnliche Situation mit einem blauen Auge und einer zweiten Operation.
Der Ambulanzarzt kannte meine Mutter noch aus der Chirurgie. Er sah sich das an und konnte sie beruhigen: die Wunde sah völlig o.k. aus. Er war sogar so taktvoll, uns beide nicht wie totale Hysterikerinnen aussehen zu lassen. 
Während ich in der nächsten Woche im Urlaub auf Rügen war, absolvierte meine Mutter noch zwei CTs und eine Knochenmarksuntersuchung. Zu der Besprechung der Chemo konnte sie sogar zum ersten Mal wieder mit ihrem Auto fahren. Dort unterschrieb sie eine solche Menge an Formularen, Einverständniserklärungen und Datenschutzbestimmungen, dass sie danach eine taube Hand hatte. Sie bekam einen Taxischein für die Behandlungen und - ein Rezept für eine Perücke.
Meine Mutter liebt ihre Haare, sie hegt und pflegt sie und gibt Unsummen beim Friseur aus. Die Gewißheit, dass sie ihre Haare tatsächlich verlieren würde, war wieder so ein Schlag.
Mittlerweile hat sie angefangen, ihren Freunden und Bekannten zu erzählen, was sie hat. Erstaunlich, wie viele ihr erzählen, dass sie genau die gleiche Krankheit überstanden haben. Außerdem bekommt sie wahnsinnig viel freundliche Unterstützung und Zuspruch. An dem Tag, als sie mit dem Perückenrezept nach Hause kam, stand zufällig eine Nachbarin spontan mit einem Sonnenblumenstrauß vor der Tür.
Letzten Freitag war ich mit Mama im Perückenladen und erweiterte meinen Horizont darüber, welche Perücken es gibt, wie teuer sie sind, wie sie geknüpft werden, dass Echthaar nicht unbedingt das Maß aller Dinge, weil unfaßbar pflegeintensiv ist, dass man einen Perückenständer und keinen Styroporkopf braucht, weil der "Fiffi" auslüften muss undsoweiterunsofort. Außerdem erfuhr ich, dass die Krankenkassen unterschiedliche Zuschüsse zu den Perücken geben. Bei meiner Mutter sind es 500 €, was wohl gutes Mittelmaß ist. Merke also: wenn du vorhast, dir Brustkrebs zuzulegen, sieh dir das Kleingedruckte bei deiner Kasse an.
Schließlich hatten wir (zwei nette Frauen im Perückenladen, meine Mutter und ich) uns für ein Modell entschieden. Das wird nun passend bestellt und dann noch passender zurechtfrisiert. Außerdem hat Mama jetzt ein nahtloses Baumwollkäppchen für daheim, standesgemäß in Schwarz, damit es zu ihren Sachen passt. Danach waren wir noch opulent italienisch Essen; meine Mutter muss noch ein bißchen zunehmen, weil damit zu rechnen ist, dass sie während der Behandlung abnimmt.

Nächste Woche geht es dann los mit der ersten Chemo. 

Montag, 2. September 2019


Kino ist Magie

 


In meinem letzten Post habe ich erzählt, dass ich alte Filme mag. Das war schon immer so. Darauf gebracht hat mich meine Mutter: als ich klein war, habe ich mit ihr alle möglichen Filmklassiker gesehen. Von Hitchcock bis John Wayne, der Rote Korsar mit Burt Lancaster oder die Schwarze Tulpe mit Alain Delon... Ich war irgendwann ein richtiges Filmlexikon, vor allem, als wir einen VHS- Videorekorder (!) anschafften..




Als ich mir letzte Woche noch einmal einen Film mit Fred Astaire angesehen habe, kam diese Szene hier. Astaire stellt fest, dass er zum ersten Mal richtig verliebt ist, und natürlich beginnt er zu tanzen. Aber nicht nur auf dem Fußboden, sondern an den Wänden entlang und unter der Decke. Ich habe keine Ahnung, wie das gemacht wurde, CGI gab es schließlich noch nicht. Letztendlich ist das aber egal.



Filme bringen den Zuschauer zum Staunen, zum Lachen, zum Weinen und zum Träumen. Der Mund soll uns offen stehen vor Verblüffung. Ob das mit einer guten Geschichte oder einem beeindruckenden Bild geschieht, liegt an dem Künstlern, die den Fim entstehen lassen. Ich bin übrigens vollkommen vorurteilsfrei, ich sehe mir Marvel- Filme genauso gerne an wie einen Film von Jim Jarmusch.


Am liebsten schleppe ich im Sommer das Laptop und den Beamer nach draußen und lasse mich im Liegestuhl im Garten verzaubern. Oder ich gehe mit meinen Töchtern Sonntagmorgens in eine Kinovorstellung im Cineplex, um Nachos und Popcorn zu frühstücken. Oder ich besuche unser Kleinstadtkino mit dem ewig mürrischen Besitzer (Solidarität ist alles). Oder ich mache im Wohnzimmer das Licht aus, zünde Kerzen an und heule mich bei einem Liebesfilm so richtig aus.





Die Magie des Kinos wirkt bei mir eigentlich immer.

Freitag, 16. August 2019


Das Krebskissen



Ende Mai wurde bei meiner Mutter bei einer Routineuntersuchung ein kleiner Knoten in der rechten Brust gefunden. Sie bekam sofort einen Termin zur Biopsie, wo sich zweifelsfrei herausstellte, dass es sich um einen kleinen Krebstumor handelte.
Meine Mutter ist seit vier Jahren siebzig, eine aktive, sportliche und für ihr Alter sehr attraktive Frau. Seit der Scheidung von meinem Vater in den Neunzigern lebt sie allein. Sie ist also darauf eingerichtet, selbstständig und kontaktfreudig zu sein. Das ergibt sich so, wenn man in ihrem Alter nicht einsam nur von Katzen umgegeben herumvegitieren möchte. Aber mit dieser Diagnose kam sie nicht alleine zurecht. Wer tut das schon?
Der Operationstermin war schon zwei Wochen später. Ihre Ärztin im Krankenhaus sagte ihr bei der Vorbesprechung, der Tumor sei wirklich sehr klein, deswegen würde die OP kein Problem darstellen. Warscheinlich wäre danach keine Chemotherapie nötig, Bestrahlung müßte ausreichen. Entsprechend optimistisch packte meine Mutter ihre Tasche ud ließ sich von mir ins Krankenhaus fahren.
Direkt an ihrem ersten Tag, den sie mit allen möglichen Untersuchungen und dem Ausfüllen von zig Formularen verbrachte, tauchte eine Frau von einer Brustkrebsselbsthilfegruppe auf und brachte ihr ein handgenähtes herzförmiges Kissen. Das solle sie daran erinnern, dass sie nicht allein sei, und außerdem sei es als Nackenstütze und als Unterstützung für den Arm nach der OP geeignet. Danach kam noch der Typ vom psychosozialen Dienst, um sich vorzustellen.
Als meine Mutter das Krebskissen entgegen nahm, ahnte sie, dass sie eine neue Welt betreten hatte, nämlich die der Krebspatienten. Vorher war sie jemand, dem eine Operation bevorstand, jetzt hatte sie Krebs. Sie könnte tatsächlich daran sterben. Das war ein ziemlicher Schock. Und eigentlich fing damit alles richtig an.
Die Operation verlief zunächst gut, aber am nächsten Tag hatte sich in der Wunde Blut angesammelt. Meine Mutter kippte auf der Toilette um und schlug sich am Waschbecken ein blaues Auge. Sie mußte erneut operiert werden, danach ging es besser. Der Tumor und ein Teil des Lymphdrüsengewebes waren entfernt, allerdings hatte sie ständig viel zu hohen Blutdruck, weswegen sie länger bleiben mußte. Erst nach einem Herzecho konnte sie nach Hause. Allerdings durfte sie praktisch nichts. Sie konnte nicht autofahren, sie durfte nichts Schweres heben, sie durfte sich nur daheim langweilen. Wir tauschten eine Menge DVDs aus (wir teilen die Vorliebe für Filmklassiker aus den Fünfzigern und Sechzigern).
Eine Woche später war der Nachsorgetermin im Krankenhaus. Die Ergebnisse der Gewebeuntersuchung waren nicht so gut, wie gedacht. Der Tumor war doch etwas größer gewesen, und das umgebende Gewebe sah auch nicht optimal aus. Die Ärztin schlug meiner Mutter einen Test vor, der von einem Labor in Trier durchgeführt wird. Sinn der Sache ist es, zu überprüfen, ob eine Chemotherapie wirklich nötig ist. Da dieser Test noch relativ neu ist, kann es sein, dass die Krankenkasse die Kosten zunächst einmal ablehnt. Deswegen überträgt man das Widerspruchsrecht auf das Trierer Labor, die sich dann mit der Kasse auseinandersetzen. Vernünftigerweise gab meine Mutter die Erlaubnis zu diesem Test. Jetzt hieß es wieder warten.
Wieder eine Woche später waren die Testergebnisse da. Als wir in das Sprechzimmer der behandelnden Ärztin kamen, konnte ich es an ihrem Gesicht schon sehen (Pokerspielerin sollte sie besser nicht werden): Meine Mutter muss eine Chemotherapie machen. Das dauert ein halbes Jahr, dann kommt die Bestrahlung, und danach wird sie Hormone nehmen müssen.
Für meine Mutter ist damit der blanke Horror eingetreten. Sie wird lange krank sein, sie muss ihr Leben verändern, sie wird ihren Freunden endlich erzählen müssen, was sie hat. Sie wird ihre Haare verlieren. Es kommt jetzt darauf an, dass sie eine Einstellung zum Krebs entwickelt, damit sie ihre Behandlung annehmen kann. Denn Krebs ist eben nicht einfach eine Krankheit wie andere.

Das hatte ihr das Krebskissen schon am ersten Tag gesagt.

Montag, 12. August 2019


12 von 12

August 2019

 


Also, was ich heute so gemacht habe:

1) Weil die Wettervorhersage für vormittags prima Sonnenschein und nachmittags Schauer vorausgesagt hat, bin ich in aller Herrgottsfrühe hinaus und habe Wäsche aufgehängt, damit ich mittags das Zeug trocken habe.

2) Der Hund verliert zur Zeit Unterwolle in einer Menge, die man sich nicht vorstellen kann. Ich glaube, das wird im Alter irgendwie mehr. Jedenfalls habe ich heute morgen kräftig an ihr herumgebürstet.

3) Am Wochenende fahren wir in den Urlaub nach Rügen, und ich freue mich wie ein Schnitzel darauf. Ich bin spontan auf die Idee gekommen, ein Bändchen aus einem der früheren Urlaube hervor zu kramen und mir um das Fußgelenk zu binden. 
Super, ich bin jetzt ein Surferbabe!

4) Während der Arbeit wie immer in Baugruben geguckt: manchmal glaube ich, ich wäre auch eine erstklassige Bestatterin geworden.




5) Bei uns in NRW sind noch Schulferien. Kind 2 gibt Tennistraining bei einem Kindercamp, um sich ein bisschen Geld zu verdienen, was dazu führt, dass im Flur überall Tenniskram herumliegt.

6) Mit dem Hund in den Wald fahren und vorher am Altglascontainer vorbei.

7) Beim Wäschesortieren die letzte Folge der 3. Staffel von Stranger Things gesehen. Besser als die zweite, aber keine ist besser als die erste!

8) Der Wettertyp vom ZDF- Morgenmagazin ist ein absoluter Nichtskönner! Die Aktion von heute morgen wegen der Wäsche war umsonst, es regnet einfach nicht!




 9) Als ich mit dem Hund unterwegs war, hörte man überall die Sirenen der Feuerwehr. Irgendetwas Schlimmes war auf der A 3 passiert. Bei solchen Ereignissen zähle ich immer meine Familienmitglieder durch: hoffentlich ist niemand auf der Autobahn unterwegs...

10) Seit zwei Monaten suche ich den zweiten Stecker der Papierschiffchenohrringe aus Jever. Heute tauchte er plötzlich wieder auf: Heureka!

11) 2019 ist ein Tomatenjahr, da gibt es keinen Zweifel. Wir essen praktisch pausenlos Tomaten vom Strauch.

12) Ich bin so müde, ich könnte auf dem Sofa einschlafen! 








 
 

 



Samstag, 13. Juli 2019

Das Malheur beim Friseur

 

Ich habe schon ein paar Mal angedeutet, dass Haare schneiden für mich eine diffizile Angelegenheit ist. Ich habe ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie der Schnitt aussehen soll, meine wilden Zeiten in der Experimentierküche von Farben und Formen sind definitiv vorbei.
Nun hat sich aber herausgestellt, dass die meisten Friseure aus irgendeinem mir nicht ersichtlichen Grund der Ansicht sind, sie müßten mir etwas anderes aufschwatzen. Dabei ist es ganz einfach: ich möchte die Haare gleichlang etwa auf Höhe der Ohrläppchen haben, was im Genick ist, soll bitte ganz kurz sein (das ergibt eine sichtbare Kante, das weiß ich) und ich mag meine in Ehren ergraute Haarfarbe. Ich will keine schnuckelige Blondine, keine rassige Rothaarige und auch keine adrette Brünette sein, Strähnchen möchte ich auch nicht. Klingt nicht schwer, finde ich.

 

Leider scheint es das aber doch zu sein. Immer wieder meint so ein/e Stylist/-in, da gehörten irgendwelche Stufen rein, damit die Haare weicher fallen oder was auch immer, und ich sehe nach zwei Wochen aus wie etwas Zerzaustes, das die Katze mit reingebracht hat. Oder es wird eine ordentliche Schräge hineingebracht, so dass ich Hundeohren habe. 
Bei meinem vorletzten Frieseurbesuch bin ich auf eine junge Dame gestoßen, der es egal war, ob mir meine Frisur schmeichelt oder nicht. Sie schnitt mir die Matte einfach ab, wie ich das wollte, und so waren die vermaledeiten Stufen, die mir ihre Vorgängerinnen auf den Kopf gehext hatten, beinahe raus. Priml, dachte ich mir, da gehe ich beim nächsten Mal wieder hin, danach sehe ich wieder so aus, wie ich mir das vorgestellt habe.
Und was war? Der Salon hatte den Besitzer gewechselt, die willfährige junge Dame war nicht mehr da. Aber der neue Chef nahm sich meiner an. Ich weiß noch genau, dass ich lediglich "Nachschneiden" verlangt habe. Der Friseur- nennen wir ihn bei seinem Namen, nämlich Mike-, begann, nachdem er mir die Haare gewaschen hatte, mit beiden Händen in meinem Haupthaar zu wühlen und dabei ein nachdenkliches Gesicht zu machen. Das hätte mich aufstören sollen, aber ich hatte die Brille nicht an, deswegen schätzte ich die Situation falsch ein. 

"Warst du beim letzten Mal auch hier?" fragte er.
"Ja."
"Und wer hat dir die Haare geschnitten?"
"Weiß nicht, nette junge Frau, hab den Namen vergessen."
"Hm."

Das Gewühle fing wieder von vorne an.

"Warst du zufrieden?" 
"Ja."
"Bist du mit dem Schnitt zurechtgekommen?"
"Alles prima."
"Hm."

Mike stellte das Wühlen ein und begann, mit der Schere zu klappern. Ich lehnte mich entspannt zurück, in dem naiven Wahn, die wichigen Fragen geklärt zu haben.
Tja, und was dann in Mikes Kopf vorgegangen ist, das kann ich nur erahnen. Er drehte mir die Haare oben auf dem Kopf zusammen wie bei Jon Schnee in den letzten Staffeln von Game of Thones und jagte beherzt die Schere hinein. Ich dachte noch, was für eine komische Methode, aber man weiß ja nie, wo die Burschen gelernt haben. Jedenfalls ging der Ehrgeiz mit Mike durch. Er schnipselte und schnapselte, wühlte und kämmte, und irgendwann föhnte er auch. Als ich meine Brille aufsetzte, traf mich beinahe der Schlag: Ich hatte wieder schmeichelhafte Stufen, und die Haare vorne, die kinnlang gewesen waren, gingen nun gerade bis zur Nase. Ich konnte sie noch nicht einmal mehr hinter die Ohren klemmen.
Wie gesagt, Mikes Gedankengänge finde ich jetzt noch rätselhaft. Die Kundin ist zufrieden mit ihrer Frisur? Ja super, da probiere ich doch mal was ganz anderes aus! Das wollen wir doch mal sehen, ob ich der Schrulle hier nicht den Glamour einer Tagesschausprecherin verleihen kann!
Auf jeden Fall war Mike stolz wie Bolle auf seine Leistung. Er sah mich an stolz wie ein Welpe, der den ersten Knochen seines Lebens gefunden hat. Eigentlich hätte ich ihn mit seiner Schere durch den Laden jagen sollen, aber wer tritt schon nach Welpen? Also nickte ich leicht benommen und bezahlte.

Klar, Haare wachsen wieder, aber ich muß mir schon wieder einen neuen Friseursalon suchen.
Vielleicht mache ich es aber auch wie Samson und lasse die Matte einfach wuchern.


Sonntag, 7. Juli 2019

 

Keine Feier ohne Meier

Der Wahnsinn mit den Schulabschlussfeiern

 

Wer hier ein bißchen mitliest, hat vielleicht mitbekommen, dass ich zwei Töchter habe. Eine von beiden hat in diesem Frühjahr ihr Abitur bestanden; das eine tolle Leistung und sollte entsprechend gewürdigt werden. So weit, so gut.
Als ich Abitur gemacht habe, hatten wir es eine kleine Feier in der Aula unserer Schule. Es gab ein überschaubares Rahmenprogramm mit einem klavierspielenden Mitschüler, einer unfassbar peinlichen Tanzeinlage von vier Mädels aus dem Französisch- LK (unvergessen!) und einer einschläfernden Rede des Direktors. Anschließend bekam ich mein Zeugnis, ging mit meinen Eltern italienisch essen und setzte mich mit meinen Mitschülern wie verabredet in die ortsansässige In- Kneipe ab, um unsere Noten angemessen zu begießen. Auch hier: so weit, so gut. 

Auf dem Weg zu Abiball


Als die Ältere vor zwei Jahren ihre ZP 10- Feier hatte, wurde ich zum ersten Mal mit der aktuellen Praxis konfrontiert. Seit den Weihnachtsferien existierte eine Whatsapp- Gruppe, in der die Mädels Fotos ihrer Kleider posteten, damit es kein doppeltes Outfit gab. Und es ging um lange Kleider! 
Ich war gründlich irritiert. Ballkleider? Echt jetzt? 
Natürlich hatten trotzdem zwei Mädels das gleiche Kleid, es gab einen Riesenskandal und Bitchfights epischen Ausmaßes. Die Feier war am Ende ziemlich langweilig, aber wenigstens hatten alle ihre Zeugnisse.
In diesem Jahr war dann der Abiball dran. Schon am Ende der 12. Klasse begann die Organisiererei. Zur Ehrenrettung der Schule muß man sagen, dass die Schüler jede Menge Kommitees bildeten, um das Heft selbst in der Hand zu behalten. Vor allem das Finanzkonzept hatte wirklich Hand und Fuss, den beiden Mathe- LKs sei Dank. Im Ergebnis kosteten die Karten für den Ball 25 Euro pro Stück. Andere Abiturienten/-inneneltern (tolles Wort, oder?) werden bestätigen können, dass das ein Sensationspreis ist.

Challenge: Kleid aussuchen


Aber dann kam sie wieder, die Mädchen- Kleider- Aufbrezel- Frage. Lange Ballkleider, hohe Schuhe, gelockte Betonfrisuren aus Pinterest- Tutorials oder direkt vom Friseur, Makeup wie die späte Elisabeth Taylor; danach ein zweites Outfit für die After- Show- Party... Mir wurde richtig schwindelig. Aber es herrscht natürlich Gruppenzwang, also mußte auch meine Tochter da durch.
Eines schönen Morgens machten wir uns auf den Weg nach Düsseldorf, ein Kleid kaufen. Ein großes Bekleidungsgeschäft hatte eine halbe Etage (!) voll mit Ballkleidern in jeder Farbe und Größe. Und da war was los! Nur Mütter mit ihren Töchtern, eine komplett männerfreie Zone: das war wie im Frauencafé mit sehr viel Glitzer. Und nicht nur die Mädels probierten bodenlangen Tüll, die Mütter waren ebenfalls euphorisch. Irgendwie waren alle im amerkanischen Cinderella- Traum gefangen.
Ich war ehrlich gesagt ziemlich erschrocken. Woher kommt das plötzlich? fragte ich mich. Nichts gegen die Idee, hübsch aussehen zu wollen, wenn man sein Abizeugnis überreicht bekommt, aber warum muß man sich wie eine Barbie verkleiden? Und was machen die Mädchen, die anders schön sind als die Barbies? 
Es ist wirklich kein Spaß, heute eine junge Frau zu sein. Du mußt nämlich im Idealfall nicht nur das 1,0- Abitur gemacht haben, damit du Medizin studieren kannst, du mußt auch noch aussehen wie die Ballkönigin aus einem unsäglichen Teenie- Film. 
Eine Rede halten auf der Feier, weil du die Beste bist. 
Geehrt werden, weil du soziales Engagement gezeigt hast, dass Mutter Theresa neben dir wie ein Gangsta- Rapper wirkt. 
Anschliessend auf der Party sexy und lustig sein und natürlich nicht zu viel trinken, denn du sollst ja deinem Vater, der dich abholt, nicht in den Firmenwagen spucken! 

Könnte es sein, dass die Fifties zurück sind?



Es ist auffällig, dass die Mädchen bis auf drei Ausnahmen erwartungskonform erschienen, die Jungs aber ein breites Potpourri aus Anzügen, Hemden mit akzeptabler Hose und normalem Outfit boten. Einer glänzte mit einen Zylinder, einer hatte sich ein weißes Dinnerjackett auf dem Trödelmarkt gegönnt. Keiner trug unbequeme Schuhe.

Am nächsten Tag: auf dem Weg ins Freibad!

Ich frage mich, wer diese Art von Ball eigentlich möchte. 
Es ist immerhin auch ziemlich teuer, wenn die ganze Familie mitfeiern will. Ist das wirklich nötig, dass Leute mit weniger Einkommen gezwungen sind, dafür so richtig das Konto zu überziehen? 
Sind das wirklich die Abiturienten/- innen, oder sind es die einige Eltern, die hier ihre vielleicht letzte Chance sehen, das Handeln ihrer Kinder bestimmen zu können? 
Ich fühle mich jedenfalls nicht wohl dabei. Ich würde mir wünschen, der offizielle Teil wäre wieder wie bei meiner Abifeier, und die Party für diejenigen, die wirklich Grund zum Feiern haben, wäre dafür länger, lauter und bunter.

Und ohne Schönheitsterror für alle!



Mittwoch, 12. Juni 2019

12 von 12

im Juni

(Heute mal mit richtig schlechter Laune)


Ich warne zuerst einmal vor: Ich habe heute einen wirklich miesen Tag gehabt. Also, wer jetzt Fröhlichkeit und Inspiration sucht, der guckt vielleicht lieber bei den anderen schönen Beiträgen bei 12 von 12 im Juni 2019.



1) 
Damit ging es los: Ich bin heute morgen mit einer Frisur wie Edward mit den Scherenhänden wachgeworden.
2)
Seit dem jährlichen Tierarztbesuch in der letzten Woche weiß ich, dass unser Hund Arthrose im linken Ellenbogengelenk vorne hat. Sie bekommt jetzt testweise ein biologisches Präparat dagegen, von dem sie glaubt, es sei ein morgendliches Leckerli. Der Herr erhalte ihr ihre Gefräßigkeit.


 3)
Vor dem Sonnenstudio zwei kastanienbraune Fake- Blondinen. Es ist unglaublich, dass das nie aus der Mode kommt, trotz Krebsrisiko undsoweiter.
4)
Kennt ihr das: Ihr habt einem Mitarbeiter etwas mehrmals erklärt- ich rede hier nicht von der Quantentheorie-, und der hat euch angeguckt mit diesem überlegenen Blick, der sagen will: ich bin doch nicht doof, Alte! 
Und dann kommst du am nächsten Tag wieder, und der Mitarbeiter hat alles, aber auch alles falsch gemacht. Das verursacht Gewaltfantasien! Und die darf man nicht einmal ausleben!


5)
Computerarbeit. Weil ich mein Leben lang extrem kurzsichtig war und mit zunehmendem Alter immer weitsichtiger werde, sehe ich praktisch nichts mehr. Deswegen sitze ich vor dem Rechner mit der Haltung eines hungrigen Geiers.
6)
Um die Mittagszeit noch mal hinaus auf die Baustelle. Entgegen der Wettervorhersagen öffnet der Himmel seine Schleusen und läßt es so richtig platzregnen.


 7)
Nach der Mittagspause Hausarbeit. Der Wäscheberg hat die Dimensionen des Everest, und im Flur stehen so viele Schuhe, dass man glauben könnte, ich hätte zwei Ehemänner und zwölf Kinder (wie bei den Mormonen, nur anders).
8)
Kind 2 von der Schule abholen, weil heute Orchesterprobe ist. Sie hat sich überreden lassen, in einer Jazzband mitzuspielen. Am Freitag ist Auftritt, und danach werde ich den Watermelon Man von H. Hancock hoffentlich nie wieder hören.


9)
Wegen weil schlechter Laune habe ich keine Ambitionen zu kochen, also gibt es Pommes mit Fischstäbchen (aka Trostessen) und Veggie- Nuggets. 
10)
Kind 1 bekommt morgen ihre Abiturnoten mitgeteilt. Man sagt ja immer, dass man auf jeden Fall stolz sein wird, aber eigentlich wünscht man sich ein Spitzenergebnis fürs Kind. Es ist ziemlich erschreckend, für welchen Studiengang mittlerweile welcher Notendurchschnitt erforderlich ist. 
1,0 für Jura? Ich kenne jede Menge echter Blindgänger aus meinem Jahrgang, die Juristen geworden sind! (Vermutlich gibt es deswegen jetzt den NC?)
Quatsch: Ich bin jetzt schon stolz wie Bolle auf Kind 1!


11 (nicht 13!)
So, nun ist mal Schluß mit dem Gejammer! Ich werfe mich in mein Abendoutfit mit Joggingbux und dicken Socken- dann wird alles gut.
12)
Ich nehme mir vor, noch ein wenig Literatur zu genießen vor dem Schlafen, aber wahrscheinlich wird es enden wie immer: mir fällt das Buch auf die Nase und ich penne darunter ein.

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Donnerstag, 30. Mai 2019


Roland Garros

 Ein Mal Grand Slam und zurück


(Man könnte einen Teil dieses Postes als Werbung auffassen, wenn man unbedingt will- muss man aber nicht.) 
 
Der beste Ehemann von allen ist nicht nur ein Sportler, er ist die erweiterte Form davon. Er liebt Tennis. Er spielt selber, ist Sportwart in einem winzigen Club, sieht sich Bundesliga- Spiele in Köln, Düsseldorf oder Neuss an, feuert seine Töchter bei ihren Spielen in der untersten Spielklasse das Damen an und sieht Tennismatches im Fernsehen so lange, bis der Flatscreen qualmt.
Als ich letztes Weihnachten wieder einmal vor der Frage stand, was ich ihm schenken sollte, hatte ich eine Eingebung wahrscheinlich göttlichen Ursprungs. Ich bestellte Karten für die French Open in Paris. Jetzt muß man dazu sagen, dass wir im Rheinland wohnen. Paris ist für uns in etwas mehr als fünf Stunden zu erreichen, also kein Vergleich zu London oder New York.


Schon allein Karten besorgen ist ein Abenteuer. Man kann sie vorab in der Regel nur über Ticketservices bestellen, denen man für eine Karte auf den freien Plätzen ungefähr 100 Euro überweist und dann hofft, dass es auch wirklich klappt. Die Plätze in den Stadien, in denen die Stars spielen, sind praktisch unerschwinglich. Etwa eine Woche vor Turnierbeginn bekommt man einen Voucher zugeschickt, den man an dem Tag, den man gebucht hat, im Stadion in eine Eintrittskarte eintauscht. Mit dieser Karte und dem Personalausweis kommt man endlich auf die Plätze. Uff!
Unsere Karten galten für den Eröffnungssonntag, deswegen wollten wir samstags nach Paris fahren, einmal übernachten und Sonntagabend wieder zurück. Erst haben wir überlegt, ein Hotel zu buchen, aber mein GöGa fand zufällig etwas wirklich Geniales:
Das Stadion Roland Garros liegt am Rand des Bois de Bolougne im 16ten arrondisément, und dort gibt es tatsächlich am Ufer der Seine einen Campingplatz. Der ist nicht nur toll gelegen, sondern auch richtig schön. Da ich ja Fuchs bin, reservierte ich einen Stellplatz für Wanda, unseren VW- Bus, weil ich mir dachte, der Platz würde voll werden. Das war aber nicht der Fall.
(Der Campingplatz heißt Camping de Paris und hat eine aussagekräftige Homepage. Ich kann ihn auch für Paris- Sightseeing empfehlen, die Anbindung an den ÖPNV ist hervorragend. Außerdem ist es abends schön ruhig, was nicht übel ist, wenn man den ganzen Tag durch die Stadt gelatscht ist. Zu teuer ist es auch nicht.)


Wir kamen Samstagmittag an, ließen Wanda auf dem Campingplatz und machten uns auf den Weg ins Städtchen. Paris ist schön, laut und voller Menschen. Was mir aufgefallen ist: Es scheint zur Zeit Mode zu sein, sich für Städtereisen in Schale zu werden (s. links unten). Das kann man natürlich machen, aber mir graust es bei der Vorstellung, auf hohen Hacken fünf Stunden herumzustöckeln!
Nach einer geruhsamen Nacht im Bus suchten wir uns einen legalen Parkplatz in der unmittelbaren Nähe von Roland Garros, was ziemlich einfach war. Allerdings waren wir auch früh dran; weil mein GöGa Angst vor endlosen Schlangen am Einlaß hatte. Es hielt sich aber in Grenzen, nach einer halben Stunde waren wir drin.
Die French Open sind einfach gnadenlos gut organisiert. Dafür stellen sie Unmengen an Personal ein: Sicherheitsleute, Reinigungspersonal, Betreuer für alles und jeden. Dazu kommen die Leute, die die Essensstände und die Boutiquen betreuen. Es sah so aus, als ob beinahe die Hälfte der Menschen einen Dauerausweis um den Hals hätte. Apropos Essen: Die Imbisstände sind astronomisch teuer, dafür ist das Angebot grauenhaft. Beinahe alle Besucher schleppten Taschen und Rucksäcke mit mitgebrachten Snacks und Getränken herum. Aus vielen Rucksäcken sah man Baguettes ragen, ich fand das lustig.



Die wahren Helden sind die Schiedsrichter und Balljungen und -mädchen. Es ist unglaublich anstrengend, was sie den ganzen Tag leisten, und nicht jeder Spieler dankt es ihnen. Gerade die Linienrichter bekommen eine Menge Launen ab, und Tennisprofis sind extrem launisch! Es ist zu warm, zu kalt, zu windig, da hinten hat einer gehustet, irgendwie ist der Platz nicht schön und außerdem ist schon wieder die Saite gerissen... Kann ja sein, dass es im wahren Leben richtig nette Menschen sind, aber während eines Matches kommt doch häufig der Mr. Hyde heraus. Der Spieler rechts oben ist Italiener. Er und sein Gegner, ein Spanier, lieferten sich über fünf Stunden ein Duell bis aufs Messer. Ich bin mir sicher, dass der Verlierer überlegt hat, wie teuer so ein Profikiller eigentlich ist, als er auf dem Weg in die Kabine war.
Trotz dieser Zickerei ist es natürlich richtig beeindruckender Sport, den man in Roland Garros zu sehen bekommt. Auf den Nebenplätzen trainieren häufig die Spitzenstars; da ist manchmal mehr los als bei den Matches, wenn Leute spielen, die keiner kennt. Ich habe Wawrinka und Zverev gesehen, die ihre Trainingspartner gnadenlos über den Platz jagten: das kann man schon sehen, warum sie so erfolgreich sind.



Mir hat es Spaß gemacht. Die zwei Tage in Paris waren wahnsinnig anstrengend, trotzdem hat es sich absolut gelohnt. Einen Sonnenbrand im Gesicht hatte ich auch.
Am Montag morgen war dann endlich meine Stunde gekommen, eine Spitzenleistung zu performen: ich bin aufgestanden und pünktlich zur Arbeit erschienen!

Montag, 20. Mai 2019


Heinz und Hannelore

(Mobbing am Niederrhein) 



Diese beiden Fensterguckerinnen habe ich beobachtet, als ich in Dormagen- Zons auf einer Bank saß und ein Eis aß. Ich fand sie unglaublich lakonisch und richtig boshaft-also total lustig! Was Heinz und Hannelore eigentlich verbrochen haben, das fand ich leider nicht heraus.

 




Sonntag, 12. Mai 2019

 

12 von 12 

im Mai 2019

 


Heute ist der 12. im Monat Mai, und glücklicherweise ist Sonntag: da kann ich noch einmal an dieser schönen Aktion teilnehmen, die Caro von Draußen nur Kännchen organisiert. Vielen Dank dafür!

1. 
Erst einmal ausschlafen. Ich war gestern auf einer kroatischen Geburtstagsfeier. Muss ich da noch viel erklären?

2.
Das Frühstück vor dem Fernseher eingenommen und dabei einen Miss Marple- Film gesehen. Ich liebe Margaret Rutherford und Stringer Davis!

3.
Fingernägel lackieren. Gestern habe ich mir einen Nagellack in der Farbe von Bergseen gegönnt. Das müssen die Nachwehen der Osterferien sein.

4.
Wenn meine jüngere Tochter im Bad ist, dann ist sie im Bad. Und ich bin davor und warte, bis sie fertig ist. Warum manche Teenagerinnen so episch lange brauchen, wird mir auf immer ein Rätsel bleiben.

5.
In die gute alte Kamera einen neuen Schwarzweißfilm eingelegt. Den letzten habe ich gestern verschossen, also auf ein Neues!

6.
Mit der älteren Tochter und dem Hund einen schönen Spaziergang am Rhein gemacht. Seit sie die Abiturklausuren geschrieben hat, hat sie richtig viel Zeit.



7.
Ein fürstliches Mittagessen aus Sahnetorte genossen. Geht doch nix über eine ausgewogene und gesunde Ernährung.

8.
"Der freundliche Mr. Crippen" von John Boyne zu Ende gelesen. Auch wenn man in groben Zügen die Geschichte über den Mörder Crippen kennt, gelingt es Boyne, den Leser zu überraschen. Außerdem kann er schreiben, vielleicht kennt ihr "Der Junge im gestreiften Pyjama" von ihm.

9.
Im Strandkorb auf der Terrasse die Sonne genossen. Auch wenn es noch nicht wirklich warm draußen ist, kann man es da ein Stündchen aushalten.

10.
"Eine Nacht in Casablanca" mit den Marx Brothers- ich habe heute offensichtlich einen Hollywood- Nostalgie- Tag.

11.
Wir haben jede Menge altbackenes Brot daheim. Ich glaube, heute abend mache ich Semmelknödel.

12.
Jetzt geht es zum gemütlichen Teil des Abends, da kann ich ja die Schuhe ausziehen!

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Samstag, 4. Mai 2019

Garmisch und Partenkirchen

Eine Liebesgeschichte in 5 Akten 

 



1. Akt

Garmisch- Partenkirchen dürfte der bekannteste Wintersportort Deutschlands sein. Sie haben das Abfahrtsrennen auf der Kandahar und das Neujahrsschispringen am Gudiberg. Als Sahnehäubchen können sie auch noch mit der Zugsptze aufwarten, Deutschlands höchsten Berg. 
Und genau aus diesen Gründen sind wir vor ein paar Jahren zum ersten Mal mit den Kindern dorthin gefahren. Wir erwarteten ein Super- Schigebiet, ein bisschen Après- Ski, einen netten Ort und etwas Aufregung wegen des Schispringens, das genau zu diesem Zeitpunkt dort stattfand.
Das Schispringen war tatsächlich da. Die Schispringer sind klein und unfassbar dünn, wenn sie vor dem Hotel herumstehen und auf den Mannschaftsbus warten, man möchte ihnen eine Decke und etwas Warmes zu trinken reichen. Während der Veranstaltung ist der Ort voller Menschen und ohne Parkplätze, und direkt am nächsten Tag ist alles so vollständig vorbei, als habe es den Vortag nie gegeben.


Après- Schi gibt es nur in Maßen, was ich in Ordnung finde, weil ich für's Komasaufen zu alt bin- ich muss meine Gehirnzellen zusammenhalten. Garmisch als Ort ist auch nett, es gibt alles, was man so braucht oder eventuell brauchen könnte. Wenn einem das Wetter einen Streich spielt, kann man in der großen Eissporthalle Schlittschuhlaufen gehen, in der auch der SC Riessersee Eishockey spielt
Aber das Schigebiet ist eine Katastrophe. Der Teil mit der Kandahar nennt sich Garmisch Classic und ist so dermaßen verbaut und veraltet, dass man sich fragt, ob die Garmischer einfach keine Skitouristen mögen und lieber unter sich bleiben wollen. Überall steht man an, die Pistenführung als verworren zu bezeichnen ist ein Euphemismus. Dafür ist es so teuer wie in der Schweiz. 
Die Zugspitze hat ein eigenes Schiareal. Damals konnte man es nur mit einem Bummelzug, der den größten Teil durch Tunnel fährt, oder von Österreich aus erreichen. Auf den Gipfel selbst musste man mit einer weiteren kleinen Gondel fahren. Obwohl die Pisten sehr schön sind, wird die Zugspitze nur an ausgewählten Tagen genutzt: entweder es ist zu kalt, nebelig oder so warm, dass man ab Mittag in der Matsche steht. Als wir da waren, nebelte es oben praktisch ohne Pause.


Gewohnt haben wir in Farchant, einem Vorort von Garmisch- Partenkirchen, bei sehr netten, sehr alten Leuten in einer Wohnung mit einer riesigen Badewanne, die sogar nach Fichtennadelbadezusatz roch. In Farchant habe ich vor dem Fernseher wieder angefangen zu häkeln. Das war die Zeit mit den MyBoshi- Mützen; nur dass ich die Wolle in einem winzigen Laden in Partenkirchen gekauft hatte, in der die alte Dame, der das Geschäft gehörte, von jungen, handarbeitsunerfahrenen Frauen umlagert und ausgefragt wurde wie weiland Bhagwan von seinen Jüngern.


Dass in Farchant die älteren Leute sämtlich ohne Ausnahme Autos mit Automatikgetriebe fuhren, fand ich schrullig. Die Erklärung dafür bekam ich später daheim. Ein Freund meines Mannes, der aus Farchant kommt, erzählte uns, dass es dort nur einen Fahrlehrer gab, und der hatte im Krieg ein Bein verloren. Weil aber niemand es übers Herz brachte, seinen Führerschein woanders zu machen, lernten sie eben auf Automatik. Wovon hätte der arme Mann denn sonst auch leben sollen? dachten sich die Farchanter.

Wegen des Schigebietes und seiner Macken wollten wir trotzdem nie wieder nach Garmisch, Punkt.


2. Akt (Intermezzo)


Nach einigen Reisen in Orte mit riesigen Schigebieten wie Sölden oder Ischgl hatten wir die Nase voll von Megapisten und Großraumgondeln. Mein Mann, der bei uns der Winterplaner ist, kam eines Tages mit dem Vorschlag Lermoos um die Ecke. In Tirol, direkt hinter der deutschen Grenze, gibt es ein paar kleine Wintersportorte, die mit Familienfreundlichkeit werben. Für uns klang das gut.
Um das hier nicht ausufern zu lassen sei nur soviel gesagt, dass diese Orte Lermoos, Ehrwald oder Biberwier wirklich familienfreundlich sind. Für kleine Kinder gibt es nette Schischulen mit freundlichen Lehrern, Größere kann man auch mal alleine auf die Pisten loslassen: die gehen da nicht verloren. Und man fällt nicht ab 14 Uhr an jeder Ecke über Betrunkene!
Im Rahmen dieses Urlaubs ergab sich für den besten Ehemann von allen und meine ältere Tochter die Gelegenheit, von der österreichischen Seite aus bei schönem Wetter zum ersten Mal auf die Zugspitze zu fahren. Sie kamen begeistert mit leuchtenden Augen wieder. So schöööön, und einen leichten Sonnenbrand hatten sie auch.
Dann ging den Kindern der Lesestoff aus (ein im Urlaub häufig auftauchendes Problem), und weil die kleinen Orte in Tirol keine Buchhandlungen hatten, fuhren wir zum Einkaufen nach Garmisch. Dort wurden wir fündig, es gibt nämlich nicht nur einen, sondern mehrere Literaturdealer da. Außerdem fanden wir ein Geschäft, dass die damals unentbehrlichen Drachenfiguren hatte, und ein tolles Café, dass noch unentbehrlicheren guten Kaffee verkaufte.

Garmisch- Partenkirchen machte Boden wett.


3. Akt

Unsere Lebensumstände änderten sich. Zunächst einmal wollte meine jüngere Tochter pubertätsbedingt plötzlich auf keinen Fall mehr aus die Schi. Dann stellte sich heraus, dass wir unseren Hund nicht mehr bei den Schwiegereltern lassen konnten, wenn wir wegfahren wollten. Mein Schwiegervater hatte sich beim Spaziergang mit Hund mehrmals spektakulär auf die Klappe gelegt, und meine Schwiegermutter bekam nach den künstlichen Hüften als nächstes ein neues Knie.


Wir suchten also für die Weihnachtsferien nach einem Ort, den es eigentlich nicht gibt: Für Hunderunden, Schifahren und Teenagerunterhaltung gerüstet, außerdem groß genug, um einen Biosupermarkt zu haben, denn die beiden Mädels waren Vegetarier geworden. Wir kamen noch einmal auf Garmisch- Partenkirchen.
Diesmal wohnten wir bei einer freundlichen Dame in Grainau, die auch einen Hund hatte, der wie der "Kini" Ludwig hieß und sich auch so divenhaft benahm. Grainau liegt sozusagen hinter Garmisch- Partenkirchen, von hier aus fährt die Zugspitzbahn los. Natürlich fuhren mein Mann und die Ältere noch einmal Garmisch- Classic, und selbstverständlich kamen sie fluchend wieder. Aber sonst wurde Zugspitze oder eins der Tiroler Schigebiete gefahren!


Weil ich viel mit dem Hund unterwegs war, lernte ich die Umgebung deutlich besser kennen. Im Winter kann man wunderbar wandern, man teilt sich den Platz mit den Langläufern sozusagen. Die Partnachklamm, eine wirklich wilde Schlucht in der Nähe, ist im Winter meist wegen Eisbruch gesperrt.


In dem Jahr lagen zudem noch ein paar riesige Baumstämme quer, die im Herbst in die Klamm gerutscht und nur schwer zu entfernen waren. Ganz Garmisch- Partenkirchen regte sich darüber auf, der Bürgermeister mußte bei einer Bürgerversammlung einen Terminplan für die Sanierung vorlegen. Von der Partnachalm geht am 6. Januar das Hornschlittenrennen los, eine Höllengaudi für die ganz Wagemutigen. Hornschlitten wurden früher benutzt, um Holz aus dem Wald ins Tal zu befördern; sie sind riesig und praktisch unlenkbar.


Um das trotzende jüngere Kind glücklich zu machen, fuhren wir einen Tag nach München. Man braucht mit dem Auto etwa eine Stunde dahin, und es lohnt sich. Wir machten Sightseeing und gingen ein wenig shoppen: für die Mädels ein Secondhand- Laden gigantischen Ausmaßes, und für mich die Musikabteilung unterm Dach im Kaufhaus Beck. Es gibt nur Jazz und Klassik, aber vom Allerfeinsten; ich könnte Stunden da verbringen. Außerdem waren wir gefühlt in jeder barocken Kirche, die Bayerns Landeshauptstadt zu bieten hat: die Asamkirche, die Theatinerkirche usw usw.





Diesmal waren wir von Garmisch- Partenkirchen sehr angetan.


4. Akt

Im selben Jahr hatten wir unverhofft die Möglichkeit, Ostern noch einmal zusammen in den Urlaub zu fahren. Bevor wir unsere üblichen Endlosdiskussionen über das Reiseziel anfangen konnten, hatte mein GöGa schon eine Ferienwohnung in Garmisch- Partenkirchen gemietet. Es stellte sich heraus, dass die Wohnung unmittelbar im Stadtzentrum direkt an der Partnach lag. Man konnte also genauso schnell ins Städtchen wie ins Grüne. Zu unserer Freude war es so warm und sonnig wie im Frühsommer.


An der Partnach entlang führt ein Weg direkt zum Olympiastadion, dem Schauplatz der Schisprungwettbewerbe. Das Stadion ist eigens für die Winterspiele 1936 erbaut worden, dementsprechend sieht es auch aus. Anläßlich dieses Ereignisses wurde -nicht unbedingt freiwillig- aus den Orten Garmisch und Partenkirchen, die seit der Römerzeit autonom gewesen waren, die Marktgemeinde Garmisch- Partenkirchen. Darüber freut man sich sich bis heute nicht so richtig, und das mag auch ein Grund für die Ablehung erneuter Olympischer Spiele gewesen sein.




Die moderne Sprungschanze von 2007 sieht beeindruckend aus. Ich kann mir von unten schon nicht vorstellen, da herunter zu fahren; vom Richterturm, zu dem man hinaufklettern kann, erscheint einem so ein Vorhaben selbstmörderisch. Ich wollte ein paar super Fotos machen, aber leider gab das Objektiv meiner Kamera den Geist auf. Am nächsten Tag, als ich mit den Mädels nach München fuhr, brachte mein Mann den Patienten in ein Fotogeschäft nach Garmisch, wo sich der netteste Fotograf der westlichen Hemisphäre ein Bein ausriss, um uns weiterzuhelfen.


In München waren wir diesmal in der Alten Pinakothek. Weil sie umgebaut wurde, durften wir umsonst hinein. Meine "Kleine" erneuerte ihre Begeisterung für Rubens, und ich stand plötzlich ganz nah vor dem Selbstporträt von Albrecht Dürer und fiel beinahe vor Ehrfurcht auf die Knie.



In diesem Jahr wurde die neue Zugspitzbahn eröffnet. Sie saust mit nur einer Zwischenstütze von einer hochmodernen Talstation bis unmittelbar ans Gipfelkreuz. Das ist nicht unbedingt etwas für Höhenphobiker, beeindruckend ist es aber allemal. Man kann spektakulär auf den leuchtend grünblauen Eibsee heruntergucken (um den herum gibt es einen ganz wunderbaren Wanderweg, unser Hund hat das sehr genossen). Für kleine Kinder sollten Eltern einen Kaugummi oder Ähnliches parat haben, die Geschwindigkeit, mit der die Zugspitzbahn Höhenmeter überwindet, macht ziemlichen Druck auf den Ohren.



Wir fanden Garmisch- Partenkirchen super.


5. Akt

Neues Ostern, neues Glück! In diesem Jahr war Ostern so spät, dass eigentlich an Schifahren kaum noch zu denken war. Und was macht man da? Genau: man fährt nach Garmisch- Partenkirchen!
Unsere Wohnung lag einmal nicht in Garmisch, sondern in Partenkirchen. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Partenkirchen hieß bei den Römern "Parthanum", wurde 1361 Markt und steinreich, weil die Handelsstraße von Augsburg über Mittelwald nach Italien hier durch führte. Garmisch dagegen wurde erst 802 als "Germarisgave" erwähnt und gehörte von 1294 zu Werdenfels, das dem Bischof von Freising unterstand. Partenkirchen ist also älter und war eigentlich erfolgreicher, das änderte sich erst mit der vermaledeiten Zwangszusammenführung 1935.


Heute ist Partenkirchen immer noch deutlich ursprünglicher als Garmisch, man könnte auch sagen, es ist bayrischer. Die meisten Häuser tragen wunderschöne Lüftlmalerereien, die auch richtig alt sind. Der letzte Lüftlmaler, der noch "al fresco" arbeitete (d.h. er malte seine Motive direkt in den feuchten Putz statt auf die trockene Wand), hieß Gerhard Ester und kam hierher, er ist 2018 verstorben.
Wir fuhren diesmal zwar auch Schi (meine jüngere Tochter fährt übrigens wieder), unternahmen aber mehr Ausflüge in die Umgebung.


Wir waren im Kloster Ettal, das zwischen Garmisch- Partenkirchen und Oberammergau liegt, Barock gucken. Das Kloster ist immer noch im Besitz des Benediktinerordens, es gibt ein Gymnasium, Landwirtschaft, einen Kunstverlag, eine Brauerei und eine Destillerie. Die Mönche stellen einen eigenen Gin her, zu dem man im Klosterladen ein Buch über den perfekten Gin Tonic haben kann. Da soll mal einer sagen, die Patres seien weltfremd!



Nicht weit davon entfernt liegt Schloß Linderhof, wieder so ein Königschlößchen des überhaupt nicht verrückten Ludwig II. Das ist zwar nicht barock, tut aber so. Das Schloß ist klein (bekannt ist das Tischlein-deck-dich: ein Eßtisch, der aus dem Boden gefahren kam und Ludwigs Gäste zu Tode erschreckte), dafür ist der Garten riesig. Direkt vor dem Gebäude befindet sich ein Wasserbassin mit einer goldenen Flora- Statue darin. Jede halbe Stunde haut das Bassin eine dreißig Meter hohe Wasserfontäne heraus, das ist so unverhältnismäßig zum Rest der Anlage, dass man es einfach lieben muss.




In München waren wir natürlich auch, das hat ja mittlerweile Tradition. Diesmal waren wir in der Pinakothek der Moderne, Kunst ab dem Blauen Reiter bis zu Beuys bewundern. Neben dem außergewöhnlichen Museumsbau beeindruckte uns eine Sonderausstellung über das graphische Werk der amerikanischen Künstlerin Kiki Smith- von den Eindrücken zehre ich heute noch, hach! Das hier bin ich vor einem Gemälde von Georg Baselitz:


Wenn der Rest meiner Familie im Schnee herumtobte -was übrigens teilweise noch möglich war-, gammelte ich mit dem Hund in Partenkirchen herum. Auf der Ludwigstrasse, der belebtesten Einkaufsstrasse, herrscht eine Atmosphäre irgendwo zwischen Italien und tiefstem Bayern. Bei schönem Wetter sitzen sofort alle draußen, sogar der Kurator des Heimatmuseums Werdenberg steht die halbe Zeit auf der Strasse und begrüßt seine Bekannten.


Wenn man Richtung Wank wandert, kommt man durch den Philosophenpark (auf den Bänken sind Zitate bekannter Schriftsteller angebracht), über einen Kreuzweg zur Wallfahrtskirche St. Anton. Anhand der Leidensstationen erklären die Partenkirchener Väter ihren Kindern beim Karfreitagsspaziergang ziemlich gekonnt die Passionsgeschichte.



Als wir dieses Mal nach Hause mußten, waren wir verliebt in Garmisch- Partenkirchen.


Und was folgt nun daraus:
Es gibt Orte, die begeistern sofort, und es gibt andere Orte, mit denen braucht man, um warm zu werden.
Garmisch- Partenkirchen ist vollkommen ungeeignet als reiner Wintersportort, dabei bleibe ich. Aber als Mittelpunkt für Unternehmungen in alle Richtungen ist es ideal.


Aber vor allem habe ich noch nie so viele so nette Leute getroffen wie hier. Ob ich beim Metzger eine Diskussion darüber hatte, dass ich dem Hund keine eigene Leberkässemmel kaufen wollte, ob es um den Klimawandel, den besten Weg zum Gardasee oder die Vor- und Nachteile des Auswanderns nach Australien ging: immer habe ich mich lange und freundlich mit Garmischern und Partenkirchenern unterhalten. Die Menschen hier sind unglaublich entspannt.


Das kann man aber auch sein, wenn man in einer so tollen Gegend wohnt.