You know, one of the tragedies of real life is that there is no background music.
(A. Proulx)
Meiner Erfahrung nach stimmt das eigentlich nicht, denn ich habe zu vielen Momenten in meinem Leben auch einen passenden Song, der mich begleitet hat. Von zwei dieser Songs, November Rain und Mein Freund hat mit mir Schluss gemacht, möchte ich euch heute erzählen.
Und das kam so:
In den späten Neunzigern hatte Mario (der im übrigen mit mir in der Grundschule gewesen war) die Kneipe Klimperkiste übernommen. Da er eher einen rustikalen Geschmack hatte, riss er die gesamte Inneneinrichtung heraus und ließ eigentlich nur den Tresen stehen. im Rest des Raums standen eher zufällig ein paar Tische, Stühle und ein Billardtisch herum, die Wanddeko beschränkte sich auf Poster von Metalbands. Voilà, fertig war das neue Richrather. (Auch der Name zeugte nicht unbedingt von Phantasie, die Kneipe lag eben an der Richrather Straße).
Das Gastrokonzept war ebenso einfach: Bier, Tequila, Jägermeister und billiger Sekt, falls jemand eine Frau mit Kultiviertheit beeindrucken wollte. Wer Hunger bekam, konnte in der Pizzabude nebenan eine Pizza kaufen und mit der Schachtel ins Richrather kommen, um da zu essen. Besteck gab es allerdings nicht. Es lief ohne Pause irgendwelcher Metal oder Punk in ohrenbetäubender Lautstärke, so dass man sich beim Saufen auch nicht groß unterhalten musste.
Der Laden war ein Bombenerfolg. Hier wurden Epen gelebt und Legenden geboren, es gab Abende, die man im Leben nicht vergisst.
Als der Kellner volltrunken mit einem Stehtisch, einem großen Tablett voller Tequilagläser und mehreren Gästen zu Boden ging,...
als wir meine Schwägerin, die wir zur Brautentführung hergebracht hatten, mit Handschellen an den Tresen gekettet beinahe vergessen hätten,...
als Karneval einer der Herren auf dem Billardtisch strippte, während Marios Frau mit einer sehr großen Schere vor ihm stand und ihm die Kronjuwelen abschneiden wollte,...
als der Jägermeister aus war und Mario einen seiner Gäste mit Geld für zwei neue Flaschen über die Straße zur Tankstelle gegenüber schickte, der Gast aber so betrunken war, dass er angefahren wurde, so dass Mario sich gezwungen sah, den nächsten Gast loszuschicken, ...
Dieser großartigen Kneipe verdanke ich die beiden Songs aus meiner Backgroundmusicliste.
Der erste ist November Rain von Guns'n Roses. Es gab einen Jackpot bei der Fernsehlotterie von mehreren Millionen, ganz Deutschland hatte Tippscheine gekauft. Als die Zahlen im Fernsehen gezogen wurden, machte Mario den Fernseher an, ließ aber die Musik einfach weiterlaufen. Ausnahmslos jeder machte sein Portemonnaie auf und holte seinen Lottoschein heraus. Niemand gewann. Während Axl Rose seiner Ex lautstark hinterherjammerte, wurden die Scheine in der Mitte durchgerissen und kommentarlos das nächste Bier bestellt. Das war so lakonisch wie in Ostfriesland, und ich bin vermutlich der einzige Mensch auf der Welt, der bei November Rain an die Deutsche Fernsehlotterie denkt.
Das zweite Lied ist Mein Freund hat mit mir Schluss gemacht von den Lassie Singers. Der Musikstil, so ein Indie-Pop-Dings, paßte eigentlich überhaupt nicht ins Richrather, aber wie der Zufall es so wollte, hatten gerade eine Menge der ständigen Thekenbewohner Probleme mit ihren Beziehungen, was natürlich nie an ihnen, sondern immer an ihren blöden Freundinnen lag, die ihnen den Laufpass gegeben hatten. Jedenfalls lief der Song mindestens zwei Mal am Abend, und es wurde jedesmal lauthals mitgesungen. Ich war später sogar bei einem Konzert der Lassie Singers in Monheim, da ging es auch hoch her. Über dieses Konzert singen sie auf ihrem zweiten Album in dem Stück Hamburg ("...Links ist ein Baggersee...wo ist das Ex und Pop von Monheim...?").
Das Richrather musste dann nach ein paar Jahren schließen, weil Mario alles über den Kopf wuchs. Seine Ehe ging in die Brüche, und er hatte wie so viele Kneipeninhaber ein Alkoholproblem.
Heute ist da eine Sisha- Bar.
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